Verantwortungsverhütung

Viele Großkonzerne verstehen unter Service die zweifelhafte Fähigkeit, die eigene Dienstleistung technisch so zu perfektionieren, dass niemand für sie einstehen muss. Differenziert ausgelegte Computerstimmen, lange Listen von frequently asked questions, die wiederholte Rückfrage per Standardbrief, die schon einmal gegebene Informationen einfordert (eine Spezialität der Bahn, wenn nach Verspätungen Fahrkarten zu erstatten sind), das Versprechen der Erreichbarkeit rund um die Uhr, das in telekommunikativen Warteschleifen vor allem ein Test auf die Nervenstärke ist – das alles sorgt für den Schein eines lückenlosen Systems an Zuvorkommenheit. Nur eines darf nicht aufkommen: der Wunsch nach zuverlässiger Auskunft durch einen Menschen. Da heißt die übliche Antwort „Keine Ahnung!“. Dass die Mitarbeiterin am Schalter der Postfiliale bei der Suche nach einem verschollenen Einschreiben die Hilfe hartnäckig verweigert mit dem Hinweis, man habe eine Servicenummer, lässt sich wie eine nachträgliche Bestätigung lesen für die unternehmerische Entscheidung, auf Menschen nicht mehr zu setzen. Man darf sich nur nicht wundern, wenn so die Lust zu delegieren, degeneriert. Das Korrelat zum Anvertrauen heißt Verantwortung. Die allerdings ist eines immer: persönlich.