Verfahrenstechnik

Jederzeit Herr des Verfahrens zu sein, das ist die dürre Vorstellung von Macht, die in der Tagespolitik noch bis in die Begründungen eines Rücktritts hängengeblieben ist: weil ohne die Kanzlerkandidatur der Parteivorsitz zu dürftig sei, die Bewerbung um das Regierungsamt aber nicht in Frage komme, müsse die Führungsrolle überhaupt aufgegeben werden, allerdings erst, wenn klar ist, wer im Wahlkampf die Spitzenposition einnimmt. Diese Logik ist bestechend, besitzt aber den Charme eines saarländischen Stahlwerks. Unerwähnt bleibt das Scheitern in der Gestaltungsmacht, also an jenem Auftrag, der mit hoher Stellung stets einhergeht. Das Was ist zwischen Wer und Wie zerrieben. Auch in der bestürzten Diskussion um die Nachfolge gewinnen die Regelungen schnell Oberhand. Politiker sind Meister der Prozesse. Was politische Mitte ist, wird fast arithmetisch ausgemacht, durch die Negation der Extreme von links und rechts im Außenverhältnis – die Mitte ist Weder-Noch – und durch die Integration der Flügel nach innen – die Mitte ist Sowohl-Als auch. Das, was einen klar formulierten Inhalt auszeichnet, Entweder-Oder zu sein, dieses und nicht jenes, spielt keine Rolle. In wirren Zeit, im Jahr 1919, hatte Max Weber seinen Vortrag „Politik als Beruf“ gehalten, in dem er fragt, was für ein Mensch man sein müsse, „um seine Hand in die Speichen des Rades der Geschichte legen zu dürfen“. Und er antwortet: „Man kann sagen, dass drei Qualitäten vornehmlich entscheidend sind für den Politiker: Leidenschaft – Verantwortungsgefühl – Augenmaß. Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit.“* Das Wort „Sachlichkeit“ ist gesperrt gedruckt, betont. Es ist der Schlüssel, auch für die Überwindung der aktuellen Vertrauenskrise im Politikbetrieb. Solange das Was nicht dem Wer vorgeordnet wird, solange Inhalte nicht die Personalentscheidungen prägen, wird sich an der Verdrossenheit und dem Unmut des Bürgers nichts ändern. Und dann erst, dann mag die Vorgehensweise wieder in den Blick geraten. Die Kunst des Politischen zeigt sich im Umgang mit der Gestaltungsmacht. Der Rest, das Verfahren, ist Handwerk.

* Politik als Beruf, 51