Wider die Verarmung im Geist

Die politisch initiierte Reduktion des Lebens auf das schlichte Gebot, nicht zu tun, was einem gefällt, und das, was nicht gefällt, tun zu müssen, führt zu einer Verarmung des Geistes, die sich in der Erörterung des Immergleichen, in Ermüdung durch Seinesgleichen und nicht zuletzt in der Gleichgültigkeit gegenüber Ermunterungen gezwungen ausdrückt. Ob das in den kulturellen Kosten der Seuchenbekämpfung eingerechnet wird? Nichts scheint sich durchsetzen zu können gegen das eine Thema, das zwar alle anödet, aber kein anderes Wesentliches neben sich duldet. Eine Regel wird geistlos, wenn sie letztlich nur aus der Aufforderung besteht, gegen sich selbst zu handeln. Als Kant die drei Fragen nach dem Menschen formulierte – Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?* –, hat er implizit ein Gleichmaß in den Stoßrichtungen des Denkens angenommen und die Frage nach dem Handeln eingefasst in zwei starke, fremde Interessen. Ohne eine begründete Erkenntnis und ohne eine vorstellungsreiche Zuversicht verkümmert das Gebot, den eigenen Willen zu beschränken. Das gilt nicht nur moralisch; es ist das Geheimnis kluger Politik. Es könnte ja sein, dass die intensive Beschäftigung mit dem, was wir wissen und was noch zu erfahren lohnt, und die nicht minder tiefe Ausrichtung auf das, was ermutigt und was noch zu erwarten fröhlich Anlass gibt, die Frage weitgehend erübrigt, was sinnvoll zu tun bleibt, weil Einsicht und Aussicht handlungsleitend sind.

* Logik, A 25, in: Werke 5, 448