Wie nun?

Bei der Gruppenanrede hat sich im Maße wachsender Vertrautheit eingebürgert, statt des üblichen gemeinschaftlichen „Sie“ in das vermeintlich gelöstere „Ihr“ zu verfallen. Das erlaubt den Gestus der Leutseligkeit, ohne im Einzelfall gleich auf die gebotene Distanz verzichten zu müssen. Seit einiger Zeit erhält man allerdings auch in der direkten, individuellen Anrede immer mehr Angebote des lockeren Umgangstons. Und sammelt so ungeklärte Verhältnisse. Statt des strengeren „Frau“ oder „Herr“ heißt es nun, meist schriftlich, in schönster Holprigkeit gleich „Lieber …“, gefolgt von Vor- und Nachnamen wie auf dem Türschild. Man kann sich aussuchen, es als schlampige Form des „Sie“ zu lesen oder als verlegene Vorwegnahme einer künftigen Beziehung per du. Auf Dauer fehlte beiden Weisen der angemessene Ernst.