Tag: 10. August 2025

Nicht alles ist relativ

Dialektische Diskussion mit dem sophistischen Sitznachbarn

… „Aber es muss doch feste Wahrheiten geben. Sonst ist alles verloren. Du kannst doch nicht alles abhängig machen von Perspektiven, Sichtweisen, Meinungen.“
„Das tue ich auch nicht. Ich füge mich nur nicht ein in ein starres Gerüst aus absoluten Sätzen, die du nicht anzweifeln darfst.“
„Im Gegenteil. Du sollst sie sogar skeptisch sehen. Erst dann wirst du überhaupt merken, dass es solche prinzipiellen Gewissheiten gibt.“
„Ok. Frage: Was ist das Gegenteil von ,absolut‘?“
„Das ist ja die Pointe. Das Absolute hat kein Gegenteil. Es steht für sich, losgelöst von allem.“
„Wäre dem so, könnten wir es nicht verstehen. Nur was einen Kontext hat, hat auch eine Bedeutung.“
„Na gut, das Gegenwort ist natürlich ,relativ‘. Ich weiß, du wirst mir jetzt gleich vorführen, dass dann das Absolute nicht absolut ist, weil es eine Relation hat zum Relativen, seinem Pendant, auch wenn das nur gedankendürre Wortklaubereien sind.“
„Das ist deine Ansicht. Und dein Vorurteil. Ich wollte anderes ausführen. Aber so bestätigst du natürlich viel besser, dass wir dauernd irgendwelche Vorbegriffe, vorgefasste Erwartungen mit uns führen, die unser Blickfeld so einengen, dass da absolut nichts Absolutes zu erscheinen vermag.“
„Warum strengst du dich so an und willst mit mir streiten? Warum lässt du nicht locker? Weil du überzeugt bist, dass das sinnvoll ist, mich auf deine Sicht der Dinge zu verpflichten. Aber das setzt Grundlegendes voraus: dass Bedeutungen nichts Willkürliches sind, dass wir einander verstehen können, auch wenn es allzu selten geschieht, dass Menschen einen Horizont miteinander teilen. Das Absolute ist nicht das, was sich zu erkennen gibt. Es ist vielmehr das, was allem Erkennen vorausliegt. Und sich ihm so entzieht, losgelöst von jedweder Reflexion. Es muss Absolutes geben, auch wenn wir kaum sagen können, was es denn ist, das so zu heißen verdient.“
„Hm.“
„Das Absolute ist, was uns sprachlos macht.“