Aus einer Samstagabendlektüre
„Aus der Mitte der ersten ägyptischen Dynastie um etwa 2900 v. Chr. ist eine Papyrusrolle erhalten, die wegen ihres prekären Erhaltungszustandes bis heute noch nicht geöffnet wurde, so dass wir nicht wissen können, welche Botschaft sie enthält. Manchmal stelle ich mir so die Zukunft vor: Nachfolgende Generationen, die ratlos vor den heutigen Datenspeichern stehen, seltsamen Aluminium-Schachteln, deren Inhalte durch die rasanten Generationswechsel der Plattformen und Programmiersprachen, der Dateiformate und Abspielgeräte zu nichts als sinnlosen Codes geworden sind, die jedoch als Objekt deutlich weniger Aura verströmen als die so beredten wie stummen Knoten einer inkaischen Quipuschnur oder jene rätselhaften, altägyptischen Obelisken, von denen niemand mehr weiß, ob sie nun Denkmäler des Triumphes oder der Trauer darstellen.“*
* Judith Schalansky, Verzeichnis einiger Verluste, 24