Heißes Pflaster

Der heißeste Tag des Jahrs hält allzu viele nicht davon ab, der Stadt einen Besuch abzustatten, nach alter Samstagfrühnachmittagsgewohnheit zum sinnleichten Bummel über die Einkaufsmeile. Der Brutofen, auf gut fünfunddreißig Grad erhitzt, bringt die Luft zum Stehen zwischen den Betonmauern. Und verbackt die Menschen zu einer zähen Masse, die von hier nach dort kriecht. Viele mit vornüber gebeugtem Kopf, den Blick versonnen auf den Bildschirm des Smartphones gerichtet, gelegentlich ein Lächeln, das periphere Sehen ausgeschaltet, das Hirn eingeschmolzen. Am einen Ende der Straße traktiert der Saxophonspieler sein Instrument mit den drei immergleichen Melodien. Er hat Konkurrenz bekommen von einem mäßig begabten Liedermacher, mit Hannes Wader oder Reinhard Mey verbindet ihn nur der Songtext „Frieden“, den er ins billige Mikrophon grölt. Zwei Palästinenserfähnchen schwingen im gerade so gehaltenen Takt. Wieder ein paar Meter weiter dröhnt Hiphop aus den Boxen; eine kleine Gruppe Streetdancer übt sich ein ins Trinken, die Wodkaflaschen fast geleert. Zuletzt kämpft vergeblich ein vereinzelter Gerechter für Gerechtigkeit in irgendeinem südostasiatischen Land, von dem die allermeisten noch nie etwas gehört haben. Wie auf einer Wäscheleine hat er sein Programm seitenweise aufgehängt – keiner liest auch nur eine Zeile. Jeder steckt in seiner Welt fest; in Summe sind es viele tausend. Das Interesse an „der“ Welt? Nicht vorhanden. Fragte man sie später, was sie erlebt haben, erntete man nur Achselzucken oder einen abschätzigen Blick des Unverständnisses ob einer solchen Frage. Summer in the City, das ist auch alles, was diese Menschen noch verbindet. Nicht nur meteorologisch oder architektonisch, auch soziologisch ist das ein heißes Pflaster.