Noch einmal: Schreiben

Aus einer Samstagslektüre

„Schreiben heißt also die Welt enthüllen und sie zugleich der Hingabe des Lesers als eine Aufgabe stellen. Heißt auf das Bewußtsein andrer zurückgreifen, um sich für die Totalität des Seins als wesentlich anerkennen zu lassen; heißt diese Wesentlichkeit durch dazwischengeschobene Personen leben wollen; weil aber andrerseits die reale Welt sich nur dem Handeln offenbart, weil man sich nur darin fühlen kann, sofern man sie überschreitet, um sie zu verändern, fehlte es dem Universum des Romanciers an Dichte, wenn man es nicht in einer Bewegung, es zu transzendieren, entdeckte. Man hat oft festgestellt: ein Gegenstand in einer Erzählung gewinnt seine Existenzdichte nicht aus der Zahl und der Länge der Beschreibungen, die man darauf verwendet, sondern aus der Komplexität seiner Bezüge zu den verschiedenen Figuren; er wird um so realer erscheinen, je öfter er gehandhabt, ergriffen und hingestellt, kurz, von den Figuren auf ihre eignen Zwecke hin überschritten wird. Das gilt auch für die Romanwelt, das heißt für die Totalität der Dinge und der Menschen: damit sie ihr Maximum an Dichte erreicht, muß die schöpferische Enthüllung, durch die der Leser sie entdeckt, auch imaginäres Engagement im Handeln sein; anders gesagt, je mehr man Geschmack daran finden wird, sie zu ändern, desto lebendiger wird sie sein.“*

* Sartre, Was ist Literatur?, 51