Wir gegen Die

Aus einer Samstagslektüre

„Das Spezifikum der populistischen Parteien und Bewegungen ist zunächst auf der Ebene der politischen Form auszumachen. Der Populismus geht von einem ,alternativen‘ Modell der Demokratie aus, das nicht die liberale Demokratie ist, sondern die antiliberale Demokratie. In der politisch bisher dominanten Sicht, welche die westlichen Gesellschaften seit 1945 geprägt hat, sind Demokratie und Liberalismus miteinander verkoppelt. Der politische Grundkonsens von den linken Sozialdemokraten bis hin zu den rechten Konservativen geht davon aus, dass die Demokratie als Herrschaft des Volkes mit liberalen Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und checks and balances zwischen den Institutionen verknüpft sein muss. Die Grundannahme ist hier ein unhintergehbarer Pluralismus der modernen Gesellschaft, der im politischen System seinen Ausdruck finden muss. Ganz anders die Populisten. Sie vertreten grundsätzlich das Modell einer antiliberalen Demokratie, in der sich der Volkswillen unmittelbar und ungebrochen in der Politik ausdrücken soll. Die Populisten beanspruchen daher einen Alleinvertretungsanspruch auf das, was ,das Volk‘ will. Der Pluralismus, die Moderation zwischen verschiedenen Interessen, die ,Kompromissbildungen‘, wie sie für die liberale Demokratie typisch sind, erscheinen nun überflüssig und sind eher als Versuch zu werten, den eigentlichen ,Volkswillen‘ zu schwächen (daher auch die große Skepsis und Verachtung gegenüber den etablierten Medien). Kennzeichnend für den Populismus ist somit der Antagonismus ,wir gegen die‘: ,wir‘ als Ausdruck des Volkes –,die‘ als Bezeichnung für jene Eliten und Kosmopoliten oder auch für die Migranten, die ,dem Volk‘ fremd sind. Der Populismus muss das Volk somit homogen denken, als eine Art soziale Gemeinschaft.“*

* Andreas Reckwitz, Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, 278f.