Monat: Juni 2017

Recht so?

Die Einführung des Rechts lässt sich als Verzweiflungsakt einer Gesellschaft lesen, die erkannt hat, dass sie mit Moral und Religion an sich selbst scheitert. Dumm nur, dass die Frage, warum Menschen sich an Gesetze halten sollen, sich nicht juristisch, sondern allein moralisch beantworten lässt.

Selbstdisziplin

Über die Jahre sammeln sich etliche Geschichten in der Biographie eines Menschen, Erlebnisse, die nach draußen drängen und erzählt werden wollen. Nicht zuletzt dieser ungeordnete Reichtum an Eindrücken und Widerfahrnissen sorgt für Umständlichkeit, ja Umwegigkeit, wenn Ältere aus dem Fundus ihrer Lebenserfahrungen berichten. Zu allem findet sich dort Passendes, auch wenn es zur Unzeit unpassend vorgetragen wird. Eine der schwierigeren Aufgaben des Alters ist, sich zum Chefdramaturgen des eigenen Lebens zu wandeln, der sortiert, auswählt, auf die Pointe achtet, für Spannung sorgt und die richtigen Themen in die richtige Situation setzt.

Jetzt rede ich

Nicht selten geht Macht einher mit dem Unwillen zuzuhören. Spricht ein anderer, und sei es nur eine Minute, ist das für so manchen narzisstisch ungeduldigen Vorgesetzten anderthalb Minuten zu lang, mindestens.

Zwölfmal Geist

Geist ist …
… die Kraft, Leben zu gestalten;
… die Fähigkeit, Spannungen lebendig auszuhalten;
… die Lust, Lebensaufgaben nie nur zu verwalten;
… die Macht, Unlebendiges auszuschalten;
… die Entschlossenheit, Lebensfeinde aufzuhalten;
… das Geschick, Talente lebensfördernd zu entfalten;
… das Geschenk, dem Hingabe und Dankbarkeit lebensnotwendig gelten;
… die Leidenschaft, die dafür sorgt, dass die Lebensfreude nie erkaltet;
… der Trost, an dem jede Lebenssituation sich festhalten kann;
… die Neugier, welche leere Lebensgewohnheiten veralten lässt;
… die Liebe, die alle Lebensbejahung enthält;
… der Wille, Leben stets zu erhalten.

Paartherapie

„Wir arbeiten hart an unserer Beziehung“, sagt sie stolz.
„Das einzige, was ihr fehlt, sind die Feierabende. Wie früher“, brummt er matt in sich hinein.

Mediengesellschaft

Wen interessiert noch, wie eine Sache wirklich war, wenn die Geschichten über sie so gut berichtet sind, dass sie hätten wahr sein können. Zwischen fake news, alternativen Fakten und harter Realität ist Platz genug für das verführerische Verwirrspiel mit An- und Missdeutungen. Die Qualität einer Lüge entscheidet sich nicht an ihrer logischen Stimmigkeit, sondern an der Schönheit der Erzählung.

Leben auf Probe

Es ist schlechte Gewohnheit, die mahnende Klugheitsregel et respice finem* – bedenke den Ausgang einer Angelegenheit – so auszulegen, als ginge es ihr nur darum, die Aufmerksamkeit auf das Handlungsergebnis zu richten. Viel näher liegt doch, was meist verdeckt bleibt: nicht wie eine Sache sich entwickelt, sondern dass sie in jedem Fall einmal enden wird, sollte der Anlass sein für Nachdenklichkeit. Das weckt Vorsicht, zähmt Übermut, erlaubt Heiterkeit, sammelt Kräfte, verdichtet Gedanken, fordert Bescheidenheit und nährt die Lust auf Erneuerung. So kann das Ende der Anfang sein, sich klug zu engagieren.

* „Quidquid agis, prudenter agas et respice finem“. Der Satz wird Äsop zugeschrieben und bedeutet: Was auch immer du tust, handle klug und berücksichtige das Ende.