Viele Aufgaben, deren sich die Politik gestalterisch annimmt, resultieren aus den vielen Aufgaben, denen sich die Politik mit großem Gestaltungswillen angenommen hat. Das Maß der Lösungen bestimmt das Maß der Probleme, nicht umgekehrt.
Monat: Juni 2019
Bist du wach?
Müdigkeit und Wachheit sind beide Weisen der Weltdistanz. Im Dämmerzustand des Geistes entzieht sich die Wirklichkeit; die Wahrnehmung ist getrübt. In den Präsenzphasen des Bewusstseins hält das Subjekt Abstand; das Denken meidet die Bedrängung durch die Realität. Welt ist, was sich nur in Maßen ertragen lässt.
Vertrauen, Versprechen, Vertrag
Wenn irgendwo, entscheidet sich in der Grauzone zwischen Versprechen und Vertrag, was Anstand heißt. Wo noch nichts schwarz auf weiß geschrieben und unterschrieben ist, wird viel ins Blaue geredet und schweben zuweilen rosa Wolken voller Phantasien ein, grünen Hoffnungen auf und vergilben einst vollmundige Absprachen wie die Blätter in der vedorrten Baumkrone. Es ist der gedeihliche Spielraum von Angstformen, von Heuchelei, Feigheit, Intriganz oder Opportunismus. Während der eine sich schon hingebungsbereit einstellt auf das, was kommen soll, bereitet der andere verdeckt seinen Rückzug vor, indem er sich hinter dem Formalen einer noch nicht fixierten Vereinbarung versteckt. Er weiß, dass er in dem Moment das Recht zu Unrecht bemüht, weil es zwischen Versprechen und Vertrag nur Auswege gibt, die das verletzen, was das Vorrecht des Informellen ist, das alles erst möglich macht: das Vertrauen.
Nicht möglich
Der plötzliche Rücktritt ist eine Lehrstunde in Modallogik: Was offiziell niemand für möglich gehalten hat und insgeheim einige bewirkten, erschien einer als unausweichlich, um ihre Not zu wenden. Nun ist wirklich wieder alles möglich, weil eine entschieden hat, dass alles mögliche nicht möglich sein darf. Genötigt, fragen sich nun etliche, was dem Ganzen nottut. In Wirklichkeit aber suchen sie, was ihnen selber guttut.
Die Rolle der Führungskraft
Zwölf Thesen zur Unternehmensführung, ohne das Wort „Digitalisierung“ zu gebrauchen:
1. Führungskraft zu sein, ist eine Rolle. Kein Status. Als Rolle erfüllt sie Pflichten und Funktionen. Als Status hat sie Privilegien verlangt und sich mit Forschheit durchgesetzt.
2. Nicht dass die Führungskraft auf Entscheidungen verzichten könnte. Aber sie moderiert und präfiguriert sie mehr, als sie zu treffen.
3. Die wichtigste Voraussetzung der Führungskraft ist die Urteilskraft. Sie schafft Gewissheit, wo sonst Unsicherheit herrscht.
4. Keine Führungskraft versteckt sich. Aber sie übt Zurückhaltung, um allen und allem Raum zu geben, was das Unternehmen voranbringt. Die Aufmerksamkeit richtet sich darauf, nicht im Wege zu stehen, und voranzugehen, wenn es nötig ist.
5. Wenn Mut jene Eigenschaft ist, die eine Führungskraft Weiterlesen
Drei Wünsche
Die schlaue Antwort des Kinds, was es denn begehrte, wenn es drei Wünsche frei hätte – als letzter, spätestens, kommt nicht selten: sich alles wünschen zu können – deutet die Überforderung an, die unmittelbar eintritt, wenn wir uns aussuchen könnten, was für uns das Beste sei. Wahrscheinlich: sich genau das offenhalten zu können, die Antwort darauf hinauszuzögern, ein Leben lang. Wir wissen es nicht, rechnen mit Steigerungen des Guten, sehen die Gefahr der Festlegung. Einmal erreicht, zerstörte das „absolute Genug“* das Beste an uns: dass wir jederzeit auch anderes wollen, ja andere sein könnten.
Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, 1555