Monat: Mai 2025

Schwarz-Weiß wie Rauch

In Rom sucht man einen Seelsorger, heißt es. Das soll der neue Papst sein, wenn er der Weltkirche vorsteht: einer, der Barmherzigkeit übt, der zugewandt ist und Hoffnung verkörpern kann. Wer gegenwärtig auf die Weltseele achtet, muss nicht nur für sie sorgen, sondern sich um sie sorgen.

Ins Gesicht geschrieben

Randnotiz zur Sprache des politischen Gegners: „Es gibt kein unfehlbareres Zeichen eines ganz schlechten Herzens und tiefer moralischer Nichtswürdigkeit, als ein Zug reiner, herzlicher Schadenfreude. Man soll den, an welchem man ihn wahrgenommen, auf immer meiden.“*

*Arthur Schopenhauer, Die beiden Grundprobleme der Ethik. Preisschrift über die Grundlage der Moral, Werke III, 731

Im Amt

In einer Demokratie wird die Würde des Amtes geschützt durch die Demut der Person.

Aufgegleist

Am Bahnsteig gegenüber steht winkend die Freundin von früher; sie will offenkundig in die entgegengesetzte Richtung stadtauswärts fahren und wartet auf die nächste Gelegenheit. Die Züge sind noch nicht gekommen, so dass zwar kein Dialog entsteht, aber ein kurzer Wortwechsel über die trennenden Gleise hinweg, wo man sich doch jahrelang nicht gesehen, nicht gesprochen hat. „Alles klar?“, ruft er. „Und bei dir?“, kommt es von der anderen Seite, weder als Antwort gemeint noch als ernsthafte Frage. „Lass uns einen Kaffee trinken, ja?“ Sie nickt. Und kann gerade noch sagen: „Wir treffen uns nächsten …“ Die einfahrende U-Bahn schneidet den entscheidenden Teil des Satzes ab. Sie ist eingestiegen. Ob sie weiß, dass er ihren Vorschlag nicht mitbekommen hat? Früher hatte sie, ganz im Businessjargon, Verabredungen immer wie die Termine in den Vorstandsetagen „aufgegleist“. Nun war der Versuch, sich zu treffen, schon im Ansatz entgleist. Ihr Weg führte dorthin, der seine hierhin. Sie hatten sich nicht einmal im Unendlichen berührt. Nie schien sie ihm so fern zu sein wie in dem Augenblick, als sie noch einmal zum Greifen nah war.

Charakterstärke

Es sind zwei Eigenschaften, die einen Charakter stark sein lassen: Er hält seine Versprechen und kann um Verzeihung bitten, wo das nicht gelungen ist.

Zum Ausdruck bringen

Aus einer Freitagabendlektüre

„Ein Künstler, welcher in der wenn auch künstlerischen Nachahmung der Naturerscheinungen kein Ziel für sich sieht und ein Schöpfer ist, welcher seine innere Welt zum Ausdruck bringen will und muß, sieht mit Neid, wie solche Ziele in der heute unmateriellsten Kunst – der Musik  – natürlich und leicht zu erreichen sind. Es ist verständlich, daß er sich ihr zuwendet und versucht, dieselben Mittel in seiner Kunst zu finden. Daher kommt das heutige Suchen in der Malerei nach Rhythmus, nach mathematischer, abstrakter Konstruktion, das heutige Schätzen der Wiederholung des farbigen Tones, der Art, in welcher die Farbe in Bewegung gebracht wird usw. Dieses Vergleichen der Mittel verschiedenster Künste und dieses Ablernen einer Kunst von der anderen kann nur dann erfolg- und siegreich werden, wenn das Ablernen nicht äußerlich, sondern prinzipiell ist. D.h. eine Kunst muß bei der anderen lernen, wie sie mit ihren Mitteln umgeht, sie muß es lernen, um dann ihre eigenen Mittel prinzipiell gleich zu behandeln, d.h. in dem Prinzip, welches ihr allein eigen ist. Bei diesem Ablernen muß der Künstler nicht vergessen, daß jedes Mittel eine ihm geeignete Anwendung in sich birgt und daß diese Anwendung herauszufinden ist.“*

* Kandinsky, Über das Geistige in der Kunst, 54f.

Du kommst mir so christlich

Kirchentag, das sind jene Tage einer großen Tagung, an denen das Adjektiv „christlich“ zum Beiwort degeneriert. Da treten auf: christliche Kabarettisten und Comedians, christliche Bands, christliche Politiker, von den Linken bis zur Union, es werden christliche Lieder gesungen und christliche Hamburger verzehrt in Hannover – nein, so weit ist es dann doch nicht gekommen. Dabei ist „christlich“ ein Hauptwort, mehr als ein Charakterzug, eine Wesensbestimmung, die Haltungen einfordert, eher Substanz und Subjekt als Eigenschaft oder Eigenart.