Monat: Juli 2025

Effizienzsteigerung

Was die Arbeitsleistung und die Effizienz in einer Organisation dauerhaft steigert – etwas fast Selbstverständliches: dass alle überzeugt sind vom Sinn der Sache, um die es geht, und der Art, wie die Ziele erfolgreich zu erreichen sind. Phantasiezahlen und die Phantasielosigkeit purer Zahlenwerke, irrwitzige Vorgaben, Selbstbetrug und Realitätsverweigerung, Einschüchterung oder Ungewissheit, das alles sind Mittel, prinzipiell einsatzfreudige Mitarbeiter in ihrem Engagement zuverlässig zu lähmen.

Vielzahl und Einzahl

Auch bei einer Vielzahl von Leben, die einem Menschen vergönnt sind, bleibt am Ende immer nur ein einziger Tod. „Ich bin gerade viele Tode gestorben“ – das ist der Satz eines, der von dem einen nichts wissen kann.

Widersprich mir nicht. Das tue ich schon selber

Es ist gelegentlich gut, mit dem Widerspruch so lang zu warten, bis der sich selbst widersprochen hat, dessen Äußerung die Einrede gegolten hätte.

Zum Zuschauen verdammt

Anders als der Beobachter hat die Rolle des Zuschauers meist etwas Lächerliches. Zur Parteilichkeit verdammt oder als Fan zu ihr verpflichtet changiert sie zwischen stiller Akklamation bei einem großen „Deal“ zweier Staatschefs und exaltierter Begeisterung im phantasiesimulierenden Narrenkostüm eines Anhängers bei einem Weltsportereignis. Der Beobachter bleibt kritisch distanziert; der Zuschauer ist kritiklos engagiert. Das Publikum ist nur in der Masse erhaben.

Rückblick, Vorsicht

Wer Schulden macht, blickt zurück. Auch wenn der Tilgungsplan einen fixen Zeitpunkt in weiterer Zukunft vorsieht, ist das Abtragen immer verbunden mit dem, was man sich einst geliehen hat. Die vergangene Last drückt; sie loszuwerden, befreit nicht, sondern fixiert das Dasein stets auf den einen Moment, in dem der Kredit ein Versprechen abgegeben hat, es könne unmittelbar Gegenwart werden, was noch nicht geschehen ist, vielleicht anders nie wäre. Schulden, sie halten das Leben auf. Das ist ihre größte Schuld. – Was an der Schuldenvariante Investition anders ist: Sie verbraucht nicht das Reservoir an Möglichkeiten, sondern schafft sie.

Das Gebot der Zukunft

Aus einer Samstagslektüre

„Wer das Vorausberechnete als Beispiel von Zukunft ansieht, verstümmelt ,Zukunft‘. Künftigkeit ist nur da, wo ein Gebot vor mich tritt und mich in seine Einbruchstelle hineinreißt wie ein Magnet den Eisenspan. Zukunft gibt es nur vom Horizont her. Und in jedem Horizont stoßen ein ,Gebot‘ an mich und mein ,Arbeits-Gebiet‘ zusammen. Meine Künftigkeit besteht aus meinem Berufe und meinen Aufgaben in diesem Beruf. Die Berufung vernehme ich; die Aufgaben bestimme ich. Horizont der Zukunft ist also die Stelle, an der der Hörer eines Gebots und der Sprecher des damit verliehenen Gebiets in mir einander durchdringen. … Gemeint ist aber eben diese Schnittstelle, wo ich das, was der Geist der Zeit allen anbietet, als persönlichen Anruf auf mich beziehe und mir im Rahmen dieses Anrufs von nun an meine eigene Aufgabe stelle. … Zukunft ist mithin nicht eine Dimension! Ohne den Übergang eines überlegenen Gebotes in die unterliegende Wirklichkeit dadurch, daß eine Person erst hört und dann verfügt, gibt es keine Zukunft. Die Naturbegriffe über die Zeit haben diese unbedingte Polarität der ‚Zukunft‘ verschüttet. Aber Zukunft ist ein dreidimensionaler Begriff mit Dir als Vereinigungspunkt von Vernunft und Anordnung, von Hören und Befehlen, von Gebot und Gebiet.“*

* Eugen Rosenstock-Huessy, Im Kreuz der Wirklichkeit. Eine nach-goethische Soziologie, Bd. 3, 259f.

Talentierte Fähigkeiten

Erst wenn sie auch für andere brauchbar sind, werden die eigenen Talente zu Fähigkeiten.

Spirale

Irgendwann werden die Abermillionen Seelen, die Tag für Tag sich brutalster Gewalt ausgesetzt sehen (wenn auch nicht alle, gleichwohl viel zu viele, faktisch, so zumindest noch in der Fiktion von Bildern), rächen für das Leid, das ihnen angetan wird. Und es steht zu befürchten – nicht mit Wohlwollen und Nachsicht. – Das Paradox einer barmherzigen Rache nennen wir Gnade.

Das Verschwinden des Subjekts

Ein Kunstwerk ist vollendet, wenn dessen Autor sich in ihm gelassen hat.

Wohin geben?

Die größte Aufgabe in einer Beziehung ist die Hingabe.* Nicht die geringste Beigabe in ihr ist das Nachgeben. Nichts schadet einem Verhältnis zwischen zwei Menschen mehr als Rechthaberei.

* Dazu das gerade bei Reclam erschienene, schöne Buch von Wilm Hüffer, Hingabe. Warum wir uns auf die Welt einlassen. „Hingabe bedeutet tatsächlich genau dies: mitmachen zu wollen, sich engagieren, alles für eine Sache geben zu wollen.“ (69)

Extreme Positionen

Die hohe Popularität extremer politischer Positionen hat weniger damit zu tun, dass Menschen solchen Parteien, die sie vertreten, zutrauen, die gesellschaftlichen Probleme zu lösen, welche sich über die vergangenen Jahre aufgestaut haben. Hinter der Massentauglichkeit sozialer Radikalität verbirgt sich vielmehr eine Art Hassliebe zur Katastrophe, von der immer mehr meinen, sie müsse erst eintreten, bevor dann die notwendigen tiefgreifenden Neuanfänge kommen werden.

Ein Sonntagsgedanke

Glück ist Furchtlosigkeit vor dem Misslingen.

Tief unten

Der Grund der Demokratie ist ein anderer, als es die Basis meint zu sein. Auch wenn diese gern mit Gravität und Grandezza sich für den „echten“ Volkswillen ausgibt, den für sich einzunehmen, zum politisch korrekten Gestus einer Entscheidungsfindung gehört, repräsentiert sie doch per se  nicht die Mehrheit, vor allem nicht die schweigende (die sich allenfalls gelegentlich äußert). Die Basis ist aktiv, wenn nicht aktivistisch, weil sie weiß, nur so vielleicht einmal werden zu können, was sie längst behauptet zu sein: die und nicht bloß eine gesellschaftliche Wirklichkeit.

Haben, um zu vergessen

Geld ist das einzige Mittel, das zu haben nur erstrebenswert ist, um es zu vergessen. Nur der kann dem Geld gegenüber rücksichtslos sein, der auf es keine Rücksicht zu nehmen braucht.

Unmodisch

Seltsam, dass das Urteil, man kleide sich unmodisch, einem genau jene Eigenschaft zuordnet, die der Mode üblicherweise zugeschrieben wird. Der nämlich unterscheidet sich von allen anderen, die mit der Mode gehen, und dabei einander nur nachäffen, wobei sie zum Stil erklären, was in Wahrheit stillos zu heißen verdiente. In nichts kann sich die Persönlichkeit weniger ausdrücken als in einem Textil, das massentauglich als „modisch“ tituliert ist.

Der billige Erfolg

Die meisten wollen erfolgreich sein. Aber so wenige zeigen den Mut, sich zu riskieren. Da passt etwas nicht zusammen.

Denken und Leben

Denken bedeutet, im Besonderen das Allgemeine zu sehen.
Leben heißt, im Allgemeinen das Besondere zu suchen.

Die Schrecken des Lebens

In den Schrecknissen des Lebens fordert die Welt jedesmal die Sprache heraus und fragt sie, ob es noch ein Wort gibt, das erklären, das verändern, nicht zuletzt: das trösten kann.

Zum Scheitern verurteilt

Aus einer Sonntagslektüre

„Viele Lebensversuche können wir nur in begrenzter Zahl wiederholen. Zur Führerscheinprüfung sind wir zwei- oder dreimal zugelassen. Zu einem Examen ebenfalls nur zweimal, höchstens dreimal. Als Ehepartner dürfen wir uns vier- oder fünfmal versuchen, zu mehr reicht unsere Lebenszeit nicht. In vielen Disziplinen ist es verboten, ein einziges Mal zu scheitern. Wir scheitern trotzdem, fühlen uns fortan als Gescheiterte und nennen uns doch nicht so; wer will sich schon selbst stigmatisieren? Es sei denn, wir sind als Gescheiterte prominent geworden und dürfen über unser Unglück öffentlich plaudern.“*

* Wilhelm Genazino, Omnipotenz und Einfalt, in: Ders., Der gedehnte Blick, 99

Konsens, Kompromiss

Es ist zu viel Gift in die Tagespolitik eingedrungen, das die Zusammenarbeit lähmt, indem es den Konsens zerstört. Er, der den Willen, sich zu verständigen, bezeichnet, bedingt das Ziel der Einigung, den Kompromiss. Wo der Konsens fehlt, wird der Kompromiss unmöglich. Politik mag zwar vornehmlich auf die Handlungsfähigkeit einer Gesellschaft gerichtet sein, aber ihr Ausgangspunkt ist jedesmal eine grundsätzliche, ganz und gar nicht pragmatische Überzeugung: dem Streit nie das letzte Wort zu überlassen. Auch nicht vor den Parlamentsferien.

Die Gründe für Verantwortung

Nur das im letzten Unerklärliche, weil Gewählte erlaubt die Zuschreibung von Verantwortung. Wo zwingende Gründe genau angegeben werden können, eine Handlung sich notwendig ableiten lässt aus einer Folge von Voraussetzungen, kann von Schuld in Wahrheit nicht gesprochen werden. Die bedarf immer der Vorstellung, dass einer sich hätte auch anders entscheiden können. In der Moral ist die Erklärung immer eine versteckte Entschuldigung.

Die Strapazen der Erholung von den Strapazen

Nie ist es schöner zu Hause als in der Ferienzeit, in der so viele meinen, woanders sei es schöner als zu Hause. Und Qualen leiden in endlos langen Autostaus, proppevollen Zügen, Warteschlangen am Flughafengate, um dorthin zu kommen, wo sie sich von den Qualen, die sie erlitten haben, endlich erholen können. Der entspannteste Urlaub ist eine Arbeit, die so erfüllend ist, dass man keinen Urlaub braucht.

Quintessenz

So viele Blogs und Workshops, Kurse und Kochrezepte, in denen präzise beschrieben wird, wie das beste Eis, das perfekte Steak, der ideale Sommercocktail herzustellen ist. Und doch sind, selbst bei genauester Nachahmung, die Resultate grundverschieden. Woran das liegt? Wesentlich an dem, was so gern für unwesentlich gehalten wird, weil es sich schlecht bezeichnen und schon gar nicht berechnen lässt: an der Person und deren geschmacklicher Bildung, am Fingerspitzengefühl, an der Stimmung bei der Zubereitung und beim Essen, an so vielem, was den Unterschied im Ganzen ausmacht, obwohl es doch nur eine vernachlässigbare Differenz zu sein scheint.

Ghosting

Tiefste Spuren hinterlässt in einer Beziehung, wer aus ihr spurlos verschwindet.