Aushalten können

Wenn der Realismus einer Geschichte Menschen an Grenzen führt, so dass kaum auszuhalten ist, was man erfährt, hilft auch Ästhetisierung nicht weiter. Die Theologie hat es mit ungezählten Formen der Verniedlichung, der Volksfrömmigkeit, des Aberglaubens oder der Privatmythologie zu tun: von Luzifers Fall über die Engelslehre, die für jeden erdenklichen Lebenssonderfall sich einen aufmerksam schützenden Begleiter ausgedacht hat, bis zu den wallfahrtsfähigen Wundern unserer Tage. Sie alle sollen die Härte des Erzählten durch sanfte Angleichungen an die Alltagswirklichkeit der Trostbedürftigen abfedern, lassen sich aber aus nichts anderem herleiten als aus frommen Wünschen Interessierter. Das wirkt, bis es in den Tagen der Passion zum Ernstfall kommt: zum Bericht vom gewaltsamen Sterben dessen, der sich als Inbegriff des Lebens vorstellt. Da kippt Ästhetisierung in den Kitsch; und wenn nicht in den Kitsch, dann ins Blasphemische. Beide stellen unterschiedliche Grade der Überforderung dar. Von einem Philosophen, dem großen Hans Blumenberg, muss sich die Theologie auslegen lassen, was Realismus der Passion bedeutet: „Keiner hätte jemals mit diesem Jesus aushalten können, hätte er die Zumutungen verstanden, die in seinen Worten und Forderungen enthalten waren. Man hielt es nur aus mit ihm, wenn man ihn nicht verstand und indem man sich der schönen Täuschung überließ, man habe ihn verstanden und dem Verstandenen genügt.“ (Matthäuspassion, 264)

Bar "Puerta Oscura" in Málaga, unweit der Kathedrale: Ein Ort, an dem sich Wege kreuzen, die unterschiedlicher kaum sein können. Ob sich manchem Gast angesichts der Ausstellung zur Semana Santa am Cocktail verschluckt hat?

Bar „Puerta Oscura“ in Málaga, unweit der Kathedrale: Ein Ort, an dem sich Wege kreuzen, die unterschiedlicher kaum sein können. Ob sich mancher Gast angesichts der Ausstellung zur Semana Santa am Cocktail verschluckt hat?