Kategorie: Allgemein

Noch ein Versuch über den guten Manager

Was einen guten Manager auszeichnet? Zweiter Teil der alliterativen Wortkette aus Eigenschaften, Aufgaben, Fähigkeiten (zum ersten Teil bitte hier klicken):

6. Vorbild: Das ist kein Status. Es ist eine Form der Anerkennung. In dem Maße, wie andere auf einen Menschen schauen, wird er Vorbild. Das Vorbild ist der Versuch, ein Ideal nicht in der Vorstellung zu belassen, sondern ihm Realität graduell zuzuschreiben. Es ist die gefährlichste Art der Anerkennung.

7. Veränderungswille: Aber nicht um der Veränderung willen. Sondern um zu verbessern. Oder zu stören. Das ist vielleicht der wichtigste Nebenaspekt der Veränderung: dass sie wachrüttelt. Wachheit ist die Fähigkeit des Geistes, im richtigen Augenblick zu unterscheiden. Der Veränderungswille setzt voraus, Weiterlesen

Partytherapie

Umringt von neugierigen Gästen der Geburtstagsfeier gibt der Paartherapeut sein Rezept für eine glückende Partnerschaft zum Besten: „Alles hängt an der Intimität“, sagt er beschwörend. „Wenn die nicht mehr da ist, geht eine Ehe kaputt.“ „Oder am Fremdsein“, entgegnet einer der Beistehenden. Denn die meisten Beziehungen scheiterten doch, weil beide glaubten, den anderen in- und auswendig zu kennen. Da meldet sich der Schlauberger zu Wort, der auf jeder Party zu finden ist: „Ich bin für beides. Am Ende lebt eine Gemeinschaft davon, dass man einander überrascht. Überraschung aber ist das Spiel mit der Fremdheit im Vertrauten und dem Unbekannten in der Gewohnheit.“

Zwischen den Zeichen

Was auf der Schreibtastatur sinnreich „Leerzeichen“ heißt, ist in der symbolischen Welt ein Unding. Jedes Zeichen verweist auf etwas und kann daher nicht leer sein. Worauf deutet diese längste und meistgenutzte unter den Schaltflächen? Auf den Zwischenraum, der nicht nichts enthält; lateinisch nennt er sich „Interesse“: Dazwischensein.

Gedankenvoll

Als der Akku des elektronischen Readers mal wieder aufgeladen wird: Man müsste auch ein gedrucktes Buch leer lesen können. Dann wäre der Kopf voll mit Gedanken.

Gefährt in Gefahr

Dialektischer geht es nicht: Das Automobil schafft sich ab, indem es seine Bestimmung erfüllt. Sobald es nicht mehr von Menschenhand gesteuert, sondern sich durch sich selber bewegt, werden Marke und Motorleistung Nebensache, spielen Design und Drehmoment kaum eine entscheidende Rolle. Konzentriert auf das Reisen versuchen wir heute, die Zeit leidlich durch Hörbücher oder Telefongespräche zu nutzen, und werden künftig unsere Aufmerksamkeit vielem widmen, nur nicht mehr dem schlichten Vorankommen.

Gütesiegel

Solange es historische Quellen nicht anders belegen, gilt die Legende, dass der Pariser Wirt Boulanger 1795 über seine bessere Suppenküche das Jesus-Wort: „Ich will euch erquicken“ in lateinischer Sprache geschrieben hat: Restaurabo. Mit diesem Satz waren höchste Erneuerungs-Ansprüche verknüpft – therapeutische Wirkungen, denen heute in so mancher Land-Gaststätte ernsthafter entsprochen wird als in den meisten gehobenen Spesen- und Speise-Lokalen, die sich in klassischer Manier, aber nicht selten zu Unrecht „Restaurant“ nennen.

Schärfer sehen

Der Unterschied zwischen Zuschauer und Beobachter: Dieser sieht stets mehr als das, was er sieht.

Die, eine

Für den Begriff „Wahrheit“ müsste die Grammatik eine dritte Form bereitstellen zwischen bestimmtem und unbestimmtem Artikel: Die Wahrheit ist in dem Maße dogmatisch und überreizt deren Anspruch ins Absolute, wie eine Wahrheit zu unverbindlich ist, um die Aufgabe, realitätsdicht zu orientieren, zu erfüllen.

Friesisch herb

Flirtschule in Friesland: Wer bei der „Anmache“ zu hölzern wirkt, landet hart.

Nordstrand lernt den ersten Schritt

Nordstrand lernt, was zwischen den Geschlechtern zündet

Alles hat ein Ende

Seit einem Vierteljahrhundert, dem historischen Fall der Mauer, wird allzu oft vergessen, dass das Wort „Grenze“ mehr als eine negative Bedeutung besitzt: Die Grenze ist nicht nur der Ort, an dem etwas aufhört und gehindert wird, sondern auch die Form, durch die etwas überhaupt erst ist. Nichts ist wirklich, das keine Kontur hat: keine Obergrenzen, Wachstumserschöpfungen, Freiheitsbedingungen. Was jedem Designer geläufig ist, gilt allemal im Leben, auch im politischen: Gestalten bedeutet, Grenzen ziehen, damit Formen entstehen. Alles hat ein Ende, nur die Wurstigkeit hat keins.

Bilanzrechnung

Optimismus erleichtert jede Entscheidung. Den Zuversichtlichen locken die vielen Gelegenheiten, die sich mit einem Entschluss auftun; der Zögerliche fürchtet vor allem, etliche Möglichkeiten ein für allemal zu verlieren.

Stolz ohne Stil

Es gibt einen gemeinen Stolz derer, die keinen Stil haben, auf ihre Ungeschliffenheit: Sie vereint das Wissen, dass der Nassforsche, bleibt er nur hartnäckig, meist erfolgreich ist.

Der zwanghafte Misanthrop

Im Zugabteil wird es plötzlich laut. Drei Damen im vielleicht nicht mehr besten Alter, aber bester Laune lachen hysterisch auf. Die „Pikkolöchen“ sind längst geöffnet, der Sekt mundet seit der letzten Station, morgens um halb acht. Man trifft sie zuverlässig oft, die Frauengruppen in der Bahn, die sich mit ein paar Flaschen Rotkäppchen schlürfend „in Stimmung bringen“. Nicht die Reise regt sie an, nicht die Aussicht auf ein lohnendes Ziel, sondern eine gekünstelte Feierlaune zu Zeiten, da andere noch vor sich hindösen. Der Mann, der diese Szene beobachtet, fragt sich verlegen, ob Frauen entsprechend angewidert sind, wenn Männer ihre Bierdosen kreisen lassen. Sein Gesicht verrät, dass er nur eine misanthropische Antwort findet: Hasse deinen Nächsten wie dich selbst.

Wertverlust

Beim Besuch des Museumsneubaus, den der Stararchitekt so überwältigend schön konstruiert hat, dass die ausgestellten Kunstwerke wie eine bunte Wanddekoration anmuten, sagt sie maliziös: „Wenn die Fassade stimmt, werden die inneren Werte äußerlich. Umgekehrt kommt es seltener vor.“

Niemals nie nicht

Die ergiebigste Quelle für unfreiwillige Komik: Übereifer. In der doppelten Verneinung zeigt sich die Kunst, so Ja zu sagen, dass es keiner merkt. Das gilt in der Logik. In der Psychologik ist sie die Form, durch die sich Verdrängung verrät.

Wer kontrolliert wen? Hier werden nun auch die Gegner des Dopings überwacht – oder wie?

Wer kontrolliert wen? Hier werden nun auch die Gegner des Dopings überwacht – oder wie?

Spritzensport

Wer siegen will, muss auch einstecken können.

Erst die Spritze, dann die Spitze: Das Sportzentrum Cottbus gibt dem Athleten diskret Orientierung

Erst betrügen, dann üben, zuletzt lügen: Das Sportzentrum Cottbus weist dem Athleten den Weg zum Erfolg

Hauptwege und Nebenwege

Man müsste eine Geometrie der Biographie entwickeln: der Lebensweg als gerade Linie, als krumme, mäandrierende Verbindung zwischen zwei Punkten, als eine Spirale sich erweiternder Räume, als Kreis, bei dem schon von Anfang an klar ist, wo das Ende sein wird, als Ellipse, die sich um zwei Zentren dreht …

Irgendwie, irgendwo, irgendwann

Zukunft ist die Zeitformel für das, was Menschen erwarten und hoffen, was sie anfangen und gestalten, wofür sie einander ermutigen und wovon sie träumen. Auffällig, dass sich darunter wenige Verstandeseigenschaften finden wie Urteilssicherheit, Analysefähigkeit, systematische Stärke oder strukturelle Klarheit. Über die Zukunft entscheidet mehr die Kraft als eine Konzeption.

Wie man’s nimmt

Als der hochbetagte Pablo Casals, Meister des Cellos, seine zwanzigjährige Lieblingsschülerin „Martita“ heiratete, wurde er von Freunden diskret beiseite genommenen und besorgt gefragt: das Alter, die Gesundheit, die Kraft? „Wenn sie stirbt, kann ich nichts machen“, entgegnete er wohlgelaunt. 

Geboten, verboten

In ihrem Verhältnis zum Handeln unterscheiden sich Staaten: Solange nicht vorgeschrieben wird, was zu tun sei, sondern nur, was zu unterlassen, lässt sich der Rechtsraum über das freie Wirken der Bürger bestimmen. In dem Maße, wie diese nicht nur formal, sondern auf den Inhalt ihres gesellschaftlichen Auftritts verpflichtet sind, verlieren sie viele Spielarten ihrer Willkür. In der Nähe des Verbots fühlt sich Freiheit wohler als in der Nachbarschaft des Gebots. Ein Staat, der beides nicht mehr kann – weder untersagen noch erlauben – hat seine institutionelle Kraft verausgabt. Gregor Gysi erzählt aus den letzten Tagen der DDR über den Umgang mit Regimekritikern, die verurteilt wurden, für eine gewisse Zeit in den Westen zu gehen, und als Strafe akzeptierten, was für die meisten die Erfüllung größter Sehnsüchte gewesen wäre. „Ein Staat hat zwei Möglichkeiten: er kann ein Verhalten unterbinden, oder er kann es erlauben. Wenn er beides nicht mehr kann, ohne sein Gesicht zu verlieren, dann ist er am Ende … Da untersagst du im Prinzip allen Bürgern das Recht auf Reisefreiheit – und diejenigen, die den Staat heftig kritisieren, werden mit einem Aufenthalt im Westen belegt!“*

* Gregor Gysi / Friedrich Schorlemmer, Was bleiben wird. Ein Gespräch über Herkunft und Zukunft, Berlin 2015, 197

Schlechter Geschmack

Frechheit siegt – zwar nicht immer, aber – oft, weil sie eine Distanzform ist. Besonders dann, wenn sie das Machtverhältnis, das sich im Abstand ausdrückt, aus diesem heraus umzukehren vermag. Als Curzio Malaparte, der vorlaute Schriftsteller, sich darüber mokiert hatte, dass Mussolini einen Hang zu „grauenhaften Krawatten“ habe, wurde er vom Diktator vorgeladen und wegen wiederholter Beleidigungen zu Hausarrest auf der Insel Lipari verurteilt. Beim Hinausgehen soll Malaparte sich noch einmal umgedreht und launig gebeten haben, ein Wort zu seiner Verteidigung sagen zu dürfen. „Nur zu“, habe der Regent den Dichter aufgefordert. Dieser bemerkte knapp: „Ihre heutige Krawatte, mein Duce, ist besonders scheußlich.“

Was heißt: eine Person sein?

„Mensch“ ist der einzige Gattungsbegriff, der auch als Anruf oder Ausruf taugt.

Wer? Ich? – Weißfrauenkirche in Frankfurt am Main

Wer? Ich? – Weißfrauenkirche in Frankfurt am Main

Heimlichtuerei

Die Tücke der Krankheit Krebs ist, dass sie lang im Verborgenen wuchert. Meist wenn es zu spät ist, entdeckt man erst das Ausmaß ungehinderten Wachstums und spürt den Schmerz schließlich an Stellen, die man ehedem für empfindsam genug hielt, sofort ein Warnzeichen zu geben. Mit der Verlässlichkeit des Körpergefühls raubt der Krebs auch das Grundvertrauen ins Leben. Seine „Intelligenz“ lässt wichtige Grenzen verschwimmen: die zwischen Innen und Außen, Eigenem und Fremden, die des Wachstums und der Identität.

Mehr oder weniger

Auch durch traute Wiederholung wird die allzu schöne Allerweltsformel, die Erich Fried den liebenden Lyrikfreunden hinterlassen hat, nicht wahrer: „Es ist, was es ist“? Nichts verträgt die Liebe schlechter als jene Selbstgenügsamkeit, die sich romantisch belügt. Sie bedarf der Steigerung und Intensivierung. Wenn sie nicht wächst, wird sie weniger. Wenn sie weniger wird, verschwindet sie ganz.