Wie stark Sprache ist, merken wir immer dann, wenn sich Wörter und Worte gelöst haben von den Menschen, die sie sprachen. Die Kraft, ohne die Person zu wirken, von der sie stammen, befähigt Sätze zu dem, was das Denken mit Fug Wahrheit nennt. Als wahr kann eine Rede gelten, die das Subjekt gleichgültig sein lässt, das sie gesprochen hat. – Noch machtvoller aber ist Sprache, wenn sie nötigt, vom Eigenen gerade nicht abzusehen, um zu erkennen, was Sache ist. Es war der dänische Philosoph Sören Kierkegaard, der jene Wahrheit, die als religiöse sich in den Widerspruch setzt zur Welt, genau gegenläufig an die eigene Existenz fest gebunden hat: Alles kommt darauf an, selbst zum Zeugen einer Wahrheit zu werden, die ohne das individuelle Engagement zwar Relevanz hätte, aber keine Resonanz. Wahr verdient nur zu heißen, was der Grund meiner Freude und der zwingende Anlass meines Leids sein kann. Sie ergibt sich nicht mehr aus den Sätzen allein, sondern aus der Entsprechung von Wort und Dasein. „Wahrheit in dem Sinne, in dem Christus die Wahrheit ist, ist keine Summe von Sätzen, keine Begriffsbestimmung u. dgl., sondern ein Leben … Ja die Wahrheit wissen kann man eigentlich nicht; denn weiß man die Wahrheit, so muss man ja wissen, dass die Wahrheit ist die Wahrheit sein, und so weiß man ja in seinem Wissen der Wahrheit, dass Wahrheit wissen eine Unwahrheit ist.“*
* Einübung im Christentum, Gesammelte Werke, 26. Abt., 203f.