Beine im Bauch

Wer schon einmal auf die Einlösung eines Versprechens zu lang vergeblich gewartet hat, weiß, dass dabei nicht nur Zeit verstreicht. Eingebüßt wird auf Dauer auch, je nach dem Gewicht der Erwartung: der Glaube an Zusagen überhaupt, die künftige Bereitschaft zur Geduld, der fröhliche Umgang mit Ungewissheit, die Fähigkeit, gedehnte Fristen auszuhalten, die Offenheit gegenüber Wechselfällen, das Zutrauen in die eigene Urteilsfähigkeit, die Lust am Experimentieren, der Genuss von Freiheit, die Erwartung, dass sich etwas zum Besseren wendet, die Unbefangenheit im Gespräch, ein selbstbewusstes Verhältnis zu sich, die trittsichere Gelassenheit im Umgang mit der Welt, die generelle Zustimmung zur Wirklichkeit, Unbedarftheit, Arglosigkeit, Mut. Im Ganzen also zerstören Situationen, in denen sich das Ja genauso wenig einstellen will, wie ein Nein sie nicht abkürzt, auf fatale Art das Leben. „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel.“ (Matth. 5, 37) So verstanden, ist dieses testamentarische Wort der anti-eschatologische Satz schlechthin: Als rechnete er mit allen vergeblich hoffenden Naherwartungsphantasien ab, handelt er davon, dass der Aufschub nicht unendlich verlängert werden kann. Entschiedenheit ermöglicht das Leben, Entschlossenheit treibt es voran. Advent (wörtlich: die Ankunft) bedeutet zwar nicht, dass das Warten ein Ende hat, aber dessen Ungewissheit.