Beißhemmung

Die Ursprungsgeschichten des Fußballs lesen sich wie das „Who is Who“ der englischen Bildungsanstalten: Eton, Winchester, Harrow, Rugby, Shrewsbury, alles bekannte Public Schools, später dann das Trinity College in Cambridge, in dem so berühmte Zöglinge wie Francis Bacon, Isaac Newton oder Ludwig Wittgenstein einst studierten. Um der wilden Treterei nach dem Ball und dem Bein des Gegners ein Ende zu bereiten, wurden in diesen Lehrinstituten strenge Regeln für den Sport erlassen, deren wesentliche pädagogische Absicht war, die Schüler zu Disziplin zu erziehen und ein Bild von rangfreier Gleichberechtigung, vor allem zwischen den Altersklassen, zu vermitteln. Der Teamgeist war geboren. Nach acht Stunden nur rauften sich jene Studenten zusammen, die sich auf einheitliche Regeln für alle Fußballspieler verständigten. Selbst das schien ihnen viel zu lang zu sein für die neuen Laws of the University Football Club. Das war Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Und es mutet an angesichts beißwütiger Stürmer heute, einseitig nachlässiger Schiedsrichter, endloser Debatten um die Torlinientechnik oder den Freistoßspray, die Korruption der Funktionäre und die politische Ignoranz der Verbände, als hätten diese honorigen Fußball-Pioniere damals ein ganz und gar anderes Spiel im Sinn gehabt.