Darf es etwas mehr sein?

Früher, als der Einkauf beim Metzger des Vertrauens noch unschuldig war, warteten die Kinder auf seine Frage, nachdem der Aufschnitt auf der Waage lag und nicht genau die gewünschte Menge ergab: Darf es etwas mehr sein? Der Rest der Gelbwurst, meist das von der Haut befreite Endstück, landete im glücklichen Mund vor der Theke. Es war ein Akt der Kundenbindung, der mit einer anthropologischen Grundbefindlichkeit routiniert spielte: der Sucht nach Mehr, von der Luther in seiner Heidelberger Disputation einst schrieb: „Unmöglich ist es nämlich, daß ihre Gier durch Erfüllung der Wünsche gestillt wird.“* Mehr zu sein und mehr zu haben als das, was man ist und besitzt, ist das Grundbedürfnis, das den Menschen bestimmt, so dass er nur in unbestimmter Erwartung auf Steigerung sein kann, was er ist. In diesem Mehr erlebt er seine Freiheit, die sich ihm weniger als Wahl erschließt denn als Möglichkeitssinn. So trivial ist eine Klientenbeziehung gelegentlich: So lange das Gefühl bleibt, dass da noch was kommen könnte, bleibt sie stabil.

Beweisführung zur 22. These