Das Recht des Publikums

Gerade die routiniert gehaltenen Vorträge, zum x-ten Mal mit eloquenter Höflichkeit in Szene gesetzt, entpuppen sich meist als gefällige Ansprachen, die nichts wagen und nichts sagen. So vergreifen sie sich am ungeschriebenen Recht eines Publikums auf Unterhaltung oder Überraschung und rauben mit kaum versteckter Unverfrorenheit dessen knapp bemessene Zeit. Der Spätankömmling, der erst während der obligatorischen Fragerunde im Nachgang zum Auditorium gestoßen ist, erfährt auch jetzt noch viel über das, was er versäumt hat, ohne offenkundig etwas zu verpassen. Hier der sanfte Ton des antwortenden Referenten, dort die krampfhaft zurückgehaltene Wut in den Kommentaren der bemüht neugierigen Zuhörer – da wollte der Veranstalter mit der Wahl des bekannten Redners wohl nichts falsch gemacht haben und hat prompt daneben gegriffen.