Der Tod der Überraschung

Das Muster in den Überwachungsaktionen, die über die Geheimdienste organisiert sind, ist stets ein und dasselbe: Man will sich nicht mehr überraschen lassen. Kontrolliert wird nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft. In deren Berechenbarkeit sieht man den absoluten Schutz vor unliebsamen Auswüchsen menschlicher Freiheit. Das reicht längst bis in die Nachrichtenfolge. Mit jeder Entdeckung der jüngsten Umtriebe des institutionellen Spionagewahns verliert die gesellschaftliche Erregung ihr Potential: Wen interessiert die Nachricht, dass Google die mobile Videoüberwachung plant und Diktatoren so in die Hände spielt; wen kümmert die Meldung, dass auch die Klimakonferenz ausgespäht wurde? Man nimmt es müde hin; es war ja zu erwarten. Nicht allzu fern liegt der Tag, an dem uns nur eine Nachricht noch aus dem lähmenden Gefühl der Ohnmacht herausreißen könnte: Die NSA verzichtet auf die Überwachung der Welt. Das wäre eine Sensation. Doch wer würde dieser einzigen denkbaren Überraschung glauben?