Die Iden des März

Am 15. März, den berühmten Iden, starb vierundvierzig Jahre vor der Zeitenwende durch Christus jener Staatenlenker, dessen Tötung zum literarischen Prototypen eines Tyrannenmords geworden ist. Der amerikanische Schriftsteller Thornton Wilder hat Julius Cäsar die Ahnung seines Endes in einem fiktiven Tagebuchbrief dokumentieren lassen, indem dieser die Tat seines Kontrahenten verklärt zur Konsequenz klugen und tugendhaften politischen Handelns: „Wäre ich nicht Caesar, ich würde nun Caesars Mörder.“* In diesem Satz ist die versteckte Verzweiflung jeder Herrschaftsform formuliert, die ihre eigene Grenze nicht aus sich selbst heraus setzt. Sie braucht ein paradoxes Gefühl, das Wilder in Analogie zur selbstlosen Liebe den selbstlosen Hass nennt und das in der Figur des Brutus die Brutalität dieses Augenblicks, in dem Liebe und Hass sich in der Selbstlosigkeit vereinen, anschaulich macht. „Vielleicht werde ich in jenem letzten Augenblick in das Gesicht eines Mannes schauen dürfen, dessen einziger Gedanke Rom ist, und der nur daran denkt, dass ich der Feind Roms bin.“** Es gehört zu den tragischen Aspekten des Endes, dass es gerade dann, wenn es rechtzeitig gekommen zu sein scheint, den Wunsch nach Verlängerung aufbrechen lässt, und sonst als zu früh oder zu spät nie gewaltlos anmutet.

* Thornton Wilder, Die Iden des März, 266
** AaO. 268