Lebenshilfe

Zum Palmsonntag

Hosianna, der Ruf, ob als Flehen oder Jubel, der beim jüdischen Pessachfest liturgisch die Lobpsalmen begleitet, und später die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem kennzeichnet, verdichtet die Vorstellung von Gott auf den Akt der Hilfe. Als Bitte um Hilfe benennt er ein dem Menschen zentrales Defizit, ohne zu sagen, worin es besteht. „Hilf doch“, so die Übersetzung des Anrufs, ist zunächst abstrakt und bekommt nur seinen Sinn, wenn sowohl dem Absender wie dem Adressaten klar ist, worin ein solche Hilfe bestehen könnte. Wie lautet der Name der Not, die zu lindern, ja aufzuheben, den Anlass gibt, so zu beten? Das wird nicht gesagt. Weil es sich selbst erklärt? Weil keiner genau weiß, welcher Beistand genau gemeint sein könnte? Was bedeutet die Assistenzanrufung also? Ein Hinweis mag jene Lästerrede geben, die der Evangelist Matthäus dem Zufallspublikum der Kreuzigung in den Mund gelegt hat: „Der du den Tempel Gottes zerbrichst und bauest ihn in drei Tagen, hilf dir selber!“ (Matth. 27, 40) Wer so Großes zu tun beansprucht, der muss mächtig genug sein, wenn es ums Ganze geht, und ihm an den Kragen. Der Tod aber ist das Ganze des Lebens; besser: dem Leben geht es im Ganzen um den Tod. Das einem Sterbenden zuzurufen, ist der Inbegriff des Zynischen. Von der Begeisterung der Zuschauer am Wegrand, die den Eselsritt des Erlösers bejubeln, bis zur Bitterkeit der Zeugen eines Todeskampfs steigert sich das Maß der erwarteten Hilfe, die anfänglich noch unbestimmt ist, hin zur letzten Bestimmtheit einer jeden Existenz: Befreiung von ihrer Endlichkeit. Und damit von allen Beschränkungen, die sie, leidvoll, aber auch freudenreich, ausmachen. Mag das Hosiannageschrei noch als unbedacht ausgelegt werden, so ist die Aufforderung zur Selbsthilfe schon konsequenter: Ein Gott, der als Helfer sich ansprechen lässt, muss auch im Letzten in der Lage sein, das Los aller zu sterben für sich abzuwenden. Das Missverständnis indes bestand darin, dass keiner sah, dass genau dies nicht geschehen durfte, um hierin Helfer sein zu können. Zur Hilfe gehört wesentlich, dass sie aus Erfahrungen erwachsen ist, die überwunden worden sind. Wer im Tod helfen will, muss ihn erfahren und überwunden haben. Selbsthilfe war daher die falscheste aller Empfehlungen. Es ist tröstlich – Trost ist die Hilfe der Hilflosen –, dass die Passions- und Ostergeschichten anders enden: mit der Belastbarkeit einer Hilfe, der es ums Ganze geht, indem sie es durchmacht und durchsteht. Das Testament nennt das Auferstehung.