Lob des Dilettantismus

Der Baseler Geschichtswissenschaftler Jacob Burckhardt pflegte sich als „Erzdilettanten“ zu bezeichnen. Und sah darin einen notwendigen Vorzug in einer Welt, die damals schon, in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, einen Grad von Spezialisierung in der Wissenschaft erreicht hatte, der dazu führte, dass so mancher „die Fähigkeit der allgemeinen Übersicht, ja die Würdigung derselben einbüßt, während er in allem Übrigen nicht einmal Dilettant, sondern Ignorant ist“*. Die Diagnose ist verblüffend: Der Wissenschaft fehlt es nicht an Tiefe, sondern an Oberflächlichkeit, um wieder tief zu werden.

* Gérard Raulet, Objektivitätsanspruch und historisches Erkenntnisinteresse, in: Cahiers d‘Etudes Germaniques, 2001, 7 – 36, 16