Ja, ich weiß schon

Es gibt ein Wissen, das nichts anderes ist als getarnte Dummheit. Es vermeidet jegliche Erfahrung, indem es sie abgeklärt abwehrt mit dem Gestus, sie nicht nötig zu haben.

Fußball mit Köpfchen

Die ungefährdete Popularität des Fußballs beruht darauf, dass er ein Lebensmodell entwickelt hat, wie man mit Tricksen zum Erfolg kommt.

Expertenmeinung

Der Philosoph ist der Experte für die Fragen, für die es keine Spezialisten gibt.

Stichworte zur Generation Z, zweiter Teil

Sie duzen. Doch das Gegenteil von „Du“ ist nicht „Sie“, sondern „Ich“.

Stichworte zur Generation Z

Viel Empfindlichkeit, wenig Empfindsamkeit.

Der Trick der Kritik

Es gehört zu den leichten Übungen von Kritik, eine Sache zunächst so zu übertreiben, dass ihre Ablehnung sich fast von selbst ergibt. Wir schmähen selten Realitäten, umso mehr indes die Konstruktionen, die wir gefunden haben in einer Übersteigerung von Zuständen oder Handlungsformen. So erscheint das Durchdachte schnell als professoral, was wiederum als Synonym genommen wird für: zu theorielastig. Wer kreativ ist, gilt als chaotisch, der Abwägende als entscheidungsschwach, Genauigkeit gerät in den Verdacht einer Zwangsstörung. Warum das funktioniert? Weil sich Grundmuster auch in den unverhältnismäßigen Ableitungen finden lassen.

Künstliche Kunst

Mehr als die „Kunst des Möglichen“ zu sein, zeigt die Gegenwartspolitik alle Möglichkeiten des Künstlichen auf: von der lächelnd inszenierten Harmonie nach einer koalitionären Klausurtagung über die hartnäckige Behauptung von spät entdeckten Erinnerungslücken bis zur reflexhaften Skandalisierung der Parteigegner. Wo aber die Sprache zum Zwecke der Wirklichkeitsverfremdung instrumentalisiert wird, wirkt das einzige Instrument, über das die Politik verfügt: das Wort, oft nur noch befremdlich.

Sich in Frage stellen

Zwischen Selbstreflexion und Selbstzweifel besteht ein Zusammenhang. Und zwar so, dass nur der zur Selbstreflexion fähig ist, der keine Selbstzweifel hat.

Es tut mir nicht leid …

Nicht wenige Menschen verwenden Anschuldigungen als eine Form der Selbstdarstellung. Zwischen den persönlichen Vorhaltungen und der Erklärung eines Konflikts besteht für sie kein Unterschied. So bekommen Auseinandersetzungen schnell die Weise eines moralischen Machtspiels, das nur durch die Geste der Unterwerfung in einer Entschuldigung kurzzeitig friedlich aufgelöst werden kann. Auch wenn diese längst das Potenzial für den nächsten Streit enthält. Die Wendung „Es tut mir leid!“ ist die zur kalten Förmlichkeit geronnene Abstraktion einer Einsicht ins mögliche Vergehen. Was einem leid tut, ist selten das, was einem anderen Leid verschafft hat.

Erntereif

Ein Prüfgang mit dem Winzer durch die Weinberge: In der nächsten Woche beginnt die Vorlese. Die Trauben für den Fasswein werden aus den Rebstöcken geschnitten, damit das, was noch hängen bleibt, in den verbleibenden Spätsommerwochen zu hoher Qualität reifen kann. Es ist ein Spiel mit dem Wetter, dem Wingert, das kein Jetzt oder Nie, kein eindeutiges Ja oder Nein kennt. Um das Beste zu gewinnen, muss sich Erfahrung mit dem Glück verbinden. Dieses Niveau ist nicht mehr berechenbar.

Im Abendlicht

Mitten im Feld, dort, wo die Kräuter geerntet werden, der Kohl wächst und die Kartoffeln, ist der Blick auf die Skyline spektakulär. Die Dämmerung rückt die fernen Bürotürme der Stadt in gleißendes Licht; die Fenster spiegeln die letzten Sonnenstrahlen des Tags. Zwei Autos stehen auf dem Weg, das eine ein rotes Oldtimer-Cabrio, tadellos geputzt und blank gewienert. „Super Karre“, kommentiert der Passant. Die Männer, die sich um den Wagen geschart haben wie die Schafe um die Tränke, grinsen. Der Spaziergänger ist schon ein paar Meter weitergegangen, als einer laut genug flüstert: „Super Take“. Kurz wendet der Abendausflügler seinen Kopf. Er nimmt wahr, wie zwei Nackte aus dem Fahrzeugheck krabbeln, umhüllt von Badetüchern. Er sieht, wie Kameras abgestellt werden auf dem Frontflügel. Er registriert die ausgelassene Stimmung in der Gruppe. Das Licht ist magisch. Die Tagestemperatur noch sommerwarm. Das Ambiente mit dem Hochhaushintergrund gewiss reizvoll für einen schnellen Dreh. Der Ort abgelegen genug. „Super Porno“, murmelt er. Und geht seines Wegs.

Spaltmaße im Zwischenmenschlichen

Die Unterschiede zwischen Verbindlichkeit, Genauigkeit und Kleinlichkeit gehen im Zwischenmenschlichen nicht über ein paar Nuancen hinaus. Sie zu ermessen lässt den Umgang taktvoll, korrekt oder, im schlechtesten Fall, pedantisch und kläglich erscheinen. Es ist eine Frage der Herzensbildung, das Niveau zu beherrschen.

Im Gegenteil

Das Gegenteil von „verliebt“ ist nicht „entliebt“, sondern „verletzt“.

Schöpfung und Vernichtung

Die größte Leistung der Sprache ist, dass wir von Gegenständen reden können, die nicht da sind. Sie stellt vor Augen, was vielleicht anders nie existieren könnte als in der Phantasie. Nicht ohne Grund gerät das Wort so in die Nähe der Vorstellung von dem, was wir mythisch Schöpfung nennen. Was das höchste Vermögen der Sprache ist, stellt aber auch deren stärkste Versuchung dar: sich Unnötiges einfallen zu lassen, sich mit Fragen zu quälen, die sinnlos sind, bis hin zur boshaften und bösen Lust, das Offensichtliche zu leugnen.

Das Heilige und die Nüchternheit

Religion ist eine Frage der Nüchternheit, wie die Spiritualität das Rauschhafte und Romantische braucht.

Nichts stimmt

Wer als verlogen gilt, dem glaubt man nicht mal mehr die Lüge.

Wohlgefühl

Auf den Satz „Ich habe mich wohlgefühlt“ ist die einzige sinnvolle Erwiderung die Frage: Wo? Er ist immer mit einem Ort verbunden. Da war einer ganz bei sich, weil er woanders war als nur bei sich. Dass er für jemanden einen solchen Ort darstelle, ist wahrscheinlich das Schönste, was sich über einen Menschen sagen lässt.

Ohne Erinnerung

Es gibt Gedächtnislücken, die das Ich nicht fragmentieren, sondern geradezu notwendig sind für den Erhalt seiner Identität.

Klangwelten

Die Orgel, der Allrounder unter den Instrumenten, kann sich, wie Generalisten sonst auch, nicht entscheiden, was sie sein will: Schlagzeug, Streicher oder Bläser, ein Einpersonenorchester, dessen Klänge überwältigen, sobald alle Register gezogen sind. Wenn sie hingegen sich reduzieren muss, auf eines festgelegt durch die Komposition, wirkt sie tönern und hohl, blass oder fiepsig. Das ist die Beschränktheit des Generalisten, dass in ihm nicht viele Spezialisten sich vereinen, sondern er entstanden ist aus der Vermeidung, einer zu sein.

Ideenklau

„Ich habe mir die Gedanken dieses Autors zu eigen gemacht.“
„Wie respektlos von Ihnen. Und ohne Sinn und Verstand.“
„Aber ich finde, dass er genau ausdrückt, was ich empfinde.“
„Das mag sogar sein, aber Sie haben es eben nicht ausgedrückt. Und das macht einen Unterschied in der ganzen Sache.“
„Und was daran ist jetzt respektlos?“
„Na, dass Sie Fremdes nicht fremd sein lassen.“
„Und warum ohne Sinn und Verstand?“
„Weil dieser Autor nur eines will: dass Sie selber denken. Und eines nicht will: dass er für Sie denkt.“
„Aber das merkt er doch gar nicht.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher. Sicher aber ist, dass Sie es merken. Denn Sie verraten nicht nur ihn, sondern auch sich.“

Lieder, die Worte machen

Eher als das Wort ist es die Musik, welche die kirchlichen Rituale am Leben erhält. Je schöner die Lieder, desto stärker stiften sie Gemeinschaft für die Augenblicke von Klang und Nachklang. Gerade wo die Kunst nur sich selbst feiert, weil sie einem Wort zu entsprechen versucht, das nichts ist für sich sich selbst, aber alles für andere, sind alle, die ganz von ihr ergriffen sind, mehr als nur bei sich selbst.

Grenzen setzen

Die wahren Grenzen einer Beziehung werden nicht gesetzt, sondern sind schon definiert, dort nämlich, worüber man gerade noch sich gemeinsam erheitern kann. Lachen und Weinen geben eine genaue Auskunft über das, was mit einem anderen Menschen zu leben möglich ist.

Das Geheimnis des Unternehmers

Jede Art unternehmerischen Handelns zieht seine Kraft aus einem täglichen Wettbewerb mit sich selbst. Erst dadurch bekommt es die Qualität, in der Konkurrenz mit anderen zu obsiegen.

Asozial

Unversöhnlich ist der psychologische Name für das, was soziologisch „asozial“ heißt. Nur wer verzeihen kann, ist auch gesellschaftsfähig.