Sei anständig

Der erhobene Zeigefinger, gelegentlich auf den politischen Gegner gerichtet, zeugt von der Verlogenheit der Anstandsgeste in einem Betrieb, in dem die hohen Prinzipien dem Zwang zur Pragmatik noch stets geopfert werden. Wer die Politik moralisiert, politisiert die Moral. Beides verträgt sich nicht instrumentell, seit lange Kriege geführt wurden, nur weil man sich dem Gegner so in der Wahrheitserkenntnis überlegen dünkte, dass man ihn kurzerhand zum Feind erklärte. Der Vorwurf der Unanständigkeit hat oft etwas Hilfloses, inszeniert wie im Schwarzweißfamilienfilm, wenn der knöchrige Opa nach dem Jungenstreich wütend mit dem Stock in der Luft herumfuchtelt, auch wenn er als Ordnungsruf zur Geschäftsgrundlage zurückführen will. Und gar nichts Erhabenes, gerade weil mit ihm einer sich über den anderen erhebt. Im Politischen gilt, dass solcherart Urteile dem Beobachter, und letztlich dem Wähler, überlassen bleiben sollten. Sie könnten sonst unversehens zum Bumerang werden.