Superlativistisch

Neigte früher die Grußformel unter den Briefen zur förmlichen Devotion – „Hochachtungsvoll. Ihr sehr ergebener…“ –, so platzt sie heute mit übersteigerter Vertraulichkeit ins Haus. Im Superlativ zwischen „Herzlichst“ und „liebsten Grüßen“ wirft sich der Absender auch dem fremdesten (sic!) Mail-Adressaten an den Hals, wie sich ehedem seine Vorfahren einander im Unterwerfen überboten hatten. Vom größtmöglichen Gefälle sind beide Weisen nicht weit entfernt. Da macht es nichts, dass dort der Abstand betont ist, wo hier die Nähe beschworen wird. Aber kann man sich Aufmerksamkeit beim Abschied nur mit einer gehörigen Portion Übertreibung erkaufen?