Monat: September 2016

Ausgaben, Einnahmen

Spätestens vom fünfzigsten Lebensjahr an bekommt die Begegnung mit Freunden den Charakter einer Lebensbilanz.

Vor lauter Bäumen

In welchen Zeiträumen der Manager denn plane, fragt er. „Maximal fünf Jahre“, antwortet der Mann der Wirtschaft. „Und Sie?“ Verschmitzt erwidert er: „Mindestens zweihundert Jahre.“ „Jetzt verschaukeln Sie mich aber … In welcher Branche sind Sie denn tätig?“ „Ich bin Förster. Ohne die Vorstellung, dass die Gestaltung eines Walds erst sichtbar wird, wenn ich nicht mehr arbeite, geschweige denn lebe, geht es in diesem Beruf nicht. Die Früchte ernten spätere Generationen. Es ist ein ganz und gar unegoistisches Gewerbe. Aber wir nennen es auch Wirtschaft.“ Der Manager nickt still. „Unser Beitrag zur Ökonomie ist der Erholungsraum. Da müssen wir darauf achten, anders zu denken als geschäftlich. Wir arbeiten eher mit dem Unsichtbaren als mit dem Offenkundigen. Um das vielleicht zu verdeutlichen: Wenn Sie eine Wiese in den Wald setzen, ist sie in der Regel als Lichtung todlangweilig. Pflanzen Sie den Raum aber so, dass die Wiese um die Ecke geht, so dass Sie nicht sehen, wo sie endet, wird der Ort attraktiv. Das ist wohl der entscheidende Unterschied zwischen Ihrer Wirtschaft und der unsrigen: Wir wollen nichts zeigen, weil wir glauben, dass das allzu Augenfällige uninteressant ist. Wir verkaufen nicht, sondern verführen.“

Partnerwahl

Gesprächspartner zu sein, ist eine selten vergönnte Rolle, trotz der vielen Unterredungen, in die wir Tag für Tag verstrickt sind. Sie gelingt nur im Wechselspiel – auch der andere muss dazu taugen – und vollendet sich im Dienst an einem dritten Größeren, dem Dialog, der die eigenen Gedanken schärft durch die Einreden des Gegenübers und, nicht zuletzt, inhaltlich zweckfrei dafür sorgt, dass man sich in dessen Gegenwart wohlfühlt.

Große Kunst

Das zeichnet den Meister im Denken aus: dass er vereinfachen kann, ohne eine Sache zu verfälschen, und dass er Schwierigstes darzustellen vermag, ohne dass es unverständlich wird.

Drei Dinge

Aus der Serie „Mann und Frau im Dialog“ 
„Drei Dinge“, sagt sie, „sind im Leben wichtig: Geld, Macht, Sex.“ „So viele?“ erwidert er. „Ich kenne nur eines, das entscheidend ist.“ „Ja, ja“, meint sie, „typisch Mann: nur das eine.“ „Du bist zu voreilig“, antwortet er, „denn was du für drei hältst, ist dasselbe. Geld bedeutet, Macht zu haben. Und wer davon genügend besitzt, ist deutlich begehrter als andere. Macht wiederum ist der Sex wenigstens der Älteren. In der Regel kommt zu ihr dann auch der Reichtum, nicht selten durch Eroberungen aller Art. Und Sex? Ist natürlich eine Währung, die wir einsetzen, um unsere Macht über andere Menschen auszuspielen.“ „Na gut“, schließt sie, „dann brauche ich von dir jetzt nur das eine.“ Er grinst. Sie aber will: „Ein wenig Geld.“

Kritik der zynischen Vernunft

Die eigentlichen Spaßvögel des Denkens sind nicht die Zyniker oder Freunde der gepflegten Ironie, sondern die Gnostiker. In den entscheidenden Fragen, Anfang und Ende, nehmen sie das Leben nicht ernst.