Monat: November 2016

Der zweite Sieger

In der Spätphase der Demokratie geht das Volk nicht zur Wahl, um einen geschätzten Kandidaten siegen zu sehen, sondern um dem verhassten Bewerber eine Niederlage beizubringen. Das Ressentiment lenkt die Stimmabgabe.

Assoziation und Argumentation

Die beiden Talente des Denkens, Assoziation und Argumentation, übernehmen unterschiedliche Aufgaben: Diese ist für die Vergangenheit zuständig und begründet, warum eine Sache sein soll. Jene widmet sich der Zukunft und überlässt es dem zufälligen Zusammenfall von Ideen zu zeigen, was aus einer Sache werden könnte. Wo hier der Verstand der Freiheit verpflichtet ist, orientiert sich dort die Vernunft am Ideal der Notwendigkeit.

Die Welt schaut zu

Beobachten ist die schamhafte Art zu handeln.
Manchmal ist Handeln für den, der nur beobachtet, beschämend.

Scherbengericht

Die antike Form der Demokratie in der Hochzeit der griechischen Stadtstaaten war auf einem gesunden Misstrauen aufgebaut. Sie hatte sich auch im Verhältnis zu sich selbst ein kritisches Bewusstsein gegönnt und diesem Ausdruck gegeben im Scherbengericht. Stets musste der Wahlsieger die Polis für zehn Jahre verlassen; das Wahlvolk fürchtete die Demagogie. Gerade weil ein demokratisches Gemeinwesen auf der Kraft des Worts aufbaut und so zum Wohl aller funktionieren kann, sollte dieser politischen Fähigkeit der Sprache die Anerkennung gewährt werden, indem man sie einschränkt. Man würdigt ein Talent am besten, indem man ihm eine Grenze setzt.

Masse und Ohnmacht

Obwohl es oft genug vorkommt, ist immer verwunderlich, wie leicht es Wenigen gelingt, Viele zu beherrschen. Macht oder Ohnmacht entscheiden sich an der Sprache. Wem es zuerst gelingt, mit einer einzigen Stimme zu reden, ist im Vorteil.

Punktgenau

Der Aphorismus ist ein Satz, dessen Punkt die Pointe setzt.

Bringen wir es hinter uns

Das Totengedenken ist die einzige Form der Erinnerung, die dem Vergessen dient. Wir entsinnen uns einer Vergangenheit, um uns von ihr zu verabschieden; so wie einst das Gedächtnis an die Verstorbenen eingeführt wurde, um sich von dem Gespenst zu befreien, mit ihnen ein Leben lang noch sprechen zu müssen, obwohl sie keine Antwort mehr geben können. Dass die Friedhöfe früher außerhalb der Stadtmauern ihren Platz fanden, lag weniger daran, dass den Toten eine letzte Ruhe gewährt werden sollte, als vielmehr, um den Abstand groß genug zu machen für die Lebendigen, die sich in ihren heiteren Geschäften nicht stören lassen wollten. Es tut gut, den großen (Lebens-)Geschichten, die Geschichte geworden sind, ein festes Andenken im Leben zu geben, wenn man von ihnen loskommen will.