Vor fünf Jahren ist das COVID-Virus ausgebrochen. Der Philosoph Bernhard Waldenfels hatte dazu im Jahr 2020 einen Essay geschrieben, den er beschloss mit drei Konklusionen zur Sache. Aus einer Samstagnachmittagslektüre
„1. Antworten besagt wenig, wenn man lediglich zur Antwort gibt, was man selbst oder ein anderer schon weiß. Tritt Neuartiges auf, so fehlt es an fertigen Antworten, Antworten sind zu erfinden. Dabei erfinden wir nicht, worauf wir antworten, wohl aber das, was wir zur Antwort geben. In diesem Sinn sind Antworten auf je spezifische Weise kreativ und innovativ.
2. In Goethes Tasso heißt es: ».. gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide«. Was besagt dieser schlichte Satz? Eine pathologische Betrachtung, wie sie von Jacob Burckhardt empfohlen wird, bedeutet nicht, daß man bloß über das Leiden redet oder gar dem Leidenden sein Leiden ausredet, sie besagt vielmehr, daß man als Zeuge vom Leiden her redet, indem man ihm sein Ohr leiht und eine Stimme verleiht, sei es im Beiwort der Anteilnahme oder im im Nachwort der Erinnerung.
3. Wir kennen das alte Sprichwort: πάθει μάθος, durch Leiden lernen. Die Erwartung, die sich darin ausspricht, wird oft genug enttäuscht oder mißverstanden. Wenn wir durch Leiden lernen, so besagt dies nicht, daß wir das Leiden erlernen wie eine Lektion: Lernen ist kein Allheilmittel, Erfahrung kein unaufhaltsamer Lernprozeß, Leiden und Mitleiden kann man so wenig lernen wie Erstaunen und Erschrecken. Auf Fremdes, das uns als Pathos widerfährt, kann man nur antworten, man kann es nicht endgültig beantworten und nicht lösen wie ein verwickeltes Problem.“*
* Globalität, Lokalität, Digitalität, 209