Kategorie: Allgemein

Schnitzel vom Schnösel

Es gibt Restaurants, in denen die Kellner so arrogant sind, dass man sich fragt: Sind sie es geworden, weil das Lokal berühmt ist, oder garantiert die Hochnäsigkeit des Personals den Erfolg des Speisentempels, weil mancher Gast sich gern von oben herab bedienen lässt?

Wer kennt wen?

Nicht Vertrautheit sorgt dafür, dass man einander Schwächen eingesteht; es ist umgekehrt: die erfolgte Offenbarung eigener Schwächen ist der Anfang der Vertrautheit.

Karwoche

Zwischen Palmsonntag und Ostern: Geschichten voller Missverständnisse. Der Weltenerlöser wird in Jerusalem mit Jubelrufen empfangen, als hätte er nie den dezenten Sinneswandel gepredigt, der das Kleine für bedeutend hält und in der Unscheinbarkeit die Größe sieht. Kaum dort, wird er wieder aus der Stadt getrieben und unter verurteilten Mördern hingerichtet, erniedrigt für das, was andere in ihn hineinlegen, ohne dass sie je begriffen hätten, dass das Offensichtliche nichts offenbart. Drei Tage später die Aufklärung: die aber stellt keinen Zuwachs an Wissen dar, sondern beschreibt das Maß des Glaubens, der im Tod des einen das Leben für alle erkennt.

Das Unvollkommene ist nur ein Gleichnis

Manchmal macht ein winziger Punkt die Sache erst schön:
Imperfect? Im perfect.

Die Idee des Designers Hung Lam, der die Fehlproduktion einer Porzellantasse zum Anlass nahm, seine Kampagne I’mperfect zu begründen: Es war nur ein kleiner, schwarzer Aschefleck, Schmutzrest des Brennvorgangs, der eingebunden in eine neue, minimal variierte Umgebung dem Ganzen eine veränderte Bedeutung gibt. Aus diesem als Zeichen interpretierten Fehler ist in Hongkong eine soziale Bewegung erwachsen, die das Unvollkommene als Zuschreibung entlarvt und durch unscheinbare Eingriffe ganz und gar andere Sichtweisen auf die Sache öffnet.
imperfect-mug-pages-single-layer-resize-indication

imperfect_mug_C_resize_2

imperfect_mug_A_resize_re_2

255376_329437143809963_1805873012_n

Mittel zum Zweck

Der hellsichtige (und weithin vergessene) Romano Guardini hat in seiner Studie über „Macht“ im Jahr 1952 schon einen Ausblick gegeben über das, was wir inzwischen als lautlose Instrumentalisierung des digital überwachten Menschen durch anonyme Institutionen – kann man noch sagen: erleben, wenn alle Sinne ausgeblendet bleiben? Erleben, erfahren, wahrnehmen, spüren, nichts davon beschreibt die Sache richtig. Der Angriff auf die Würde geschieht im Verborgenen, bedient sich vielmehr der freiwillig-unfreiwilligen Mithilfe des vernetzten Bürgers. Dabei zitiert der Religionsphilosoph Guardini den Soziologen Rudolf Goldscheid, der mit seiner Bezeichnung „Menschenbewirtschaftung“ einen begrifflichen Vorläufer jener ökonomischen Interessen geschaffen hatte, die in dem Unwort „Humankapital“ inzwischen viel zu harmlos gefasst sind. „Eine immer schärfer ausgebildete ,Menschenbewirtschaftung‘ neigt dazu, mit den Menschen in der gleichen Weise umzugehen wie die Maschine mit den Stoffen, aus denen sie ihre Produkte herstellt. Die Gegenwehr der vergewaltigten Personen wird dabei vom … Apparat als Störung empfunden, die durch genauere Methoden und härteren Zwang zu überwinden ist.“ – Romano Guardini, Die Macht. Versuch einer Wegweisung, 1952.

Geschafft

„Und was machen Sie so?“
„Ich mache Geld.“
„Ich meine: Was arbeiten Sie?“
„Sagte ich doch.“
„Das geht einfach so?“
„Mit Geld.“

Unschuldsmiene

Er denkt nicht. Er ist glücklich.

Aufbruch

Zukunft hat, wer der Gegenwart Gewalt antut.

U-Bahnhof Bockenheimer Warte

U-Bahnhof Bockenheimer Warte

Arbeitsromantik

Hobby: der Liebe zur Sache fehlt die Professionalität. Funktion: der Professionalität fehlt die Liebe zur Sache.

Knochenjob

Jede gute Übersetzung ist wörtlich. Entspricht das nicht der Bedeutung des Originals, arbeitet sie mit Übertragungen. Vor dem Sprachgefühl kommt die Genauigkeit. Nur der Halbgeniale meint, brillant sein zu können, ohne das Handwerk zu verstehen.

Ehrlich gesagt

Ein aschgrauer Schatten umrahmt die Augen des Managers. Der Kollege erkundigt sich tief besorgt: „Jetlag?“ Die Antwort kommt knapp: „Kater.“  – Mitleid ist kein Bestandteil der Arbeitsmoral.

Qualität

Haltbarkeit ist die Treue der Dinge.

Berufe der Lebensmitte

Das Scheitern gleich für den Anfang der Weisheit zu halten, ist typisch deutsch. Nach dem Karriereknick ist die Ausbildung zum Coach für viele der natürliche nächste Schritt. Kaum geschasst, halten sich die Gestolperten am Beraterberuf als einem letzten professionellen Strohhalm fest und zugleich für fähig, nicht nur aus den selbstgemachten Fehlern zu lernen, sondern andere zu lehren, wie man solche vermeidet. Ehrlicher wäre einzugestehen, dass es durchaus ein taugliches Mittel sein kann, sich mit der Midlife-Crisis von Klienten zu beschäftigen, um von der eigenen abzulenken.

Schnipp-schnapp

Die Geräusche der mechanischen Heckenschere im Garten nebenan machen ihn ganz nervös. Kastrationsangst? Kein Wunder: Der schnittfreudige Nachbar ist Psychoanalytiker.

Sippenhaft

Der Mutige kämpft immer allein.

Aus gegebenem Anlass

Der verrückte Eismacher, München

Der verrückte Eismacher, München

Gleichberechtigung

Bachblüten für den Zebrafisch, Globuli dem Pitbull und eine Reflexzonenmassage zur Stimulierung von Goldhamsterpfoten

Leipzig, Südvorstadt

Leipzig, Südvorstadt

Semper reformanda

Dass Erneuerung stets an den Rändern einer Institution oder Organisation aufbricht, bedeutet nicht, dass sie aus der letzten Ecke kommt.

Das Motto der Reformation "ecclesia semper reformanda", gefunden im Schmuddelwinkel einer Stadtgemeinde. Manchmal muss man aufräumen, bevor Neues entstehen kann

Das Motto der Reformation „ecclesia semper reformanda“, gefunden im Schmuddelwinkel einer Stadtgemeinde. Manchmal muss man aufräumen, bevor Neues entstehen kann. Und man erkennt, dass es nicht hilft, wenn man es bei Parolen lässt

Die ideale Redeformel

Σ {Δ [N – N¹] x G / T + [ƒ(k) = Wk + Vk]} x D¹
wobei:
N = Nähe des Publikums zum Redner,
N¹ = Nähe des Redners zum Publikum,
G = Gedankeninhalt,
T = Gedankentiefe,
k = Sprachkraft,
Wk = Willenskraft,
Vk = Variationsfähigkeit,
D¹ = Selbstdistanz.

Bildung mit der Bahn

Die Ansagen des Zugbegleiters zu den nächsten Haltestellen zeugen von profunden Kenntnissen. Nach der „Geburtsstadt von Johann Sebastian Bach Eisenach“ fährt der Reisende weiter durch die „Barockstadt Fulda“, bis er schließlich in die „Europastadt Frankfurt“ kommt. Hier stockt der Fahrgast. Nicht weil er aussteigen muss, sondern weil sich die hessische Wirtschaftskapitale diesen großklingenden Titel mit vielen anderen Metropolen teilt wie Bocholt, Marktredwitz oder Traunreut. Zur Weltstadt hat es für Frankfurt nicht gereicht, und der Bahn sind Namen wie Goethe, Monumente wie der Kaiserdom oder die Paulskirche als Stätte des ersten frei gewählten Parlaments dann doch nicht bezeichnend genug, um damit die wichtigste Verkehrsdrehscheibe im deutschen Zugverkehr zu apostrophieren.

Keiner da

In leeren Restaurants schmeckt das Essen nicht, selbst wenn die Küche exquisit ist. So geht es Rednern, zu denen keiner kommt, einer Fernsehsendung, die niemand sieht, dem Pfarrer, dessen Predigt nur eine Handvoll zuhören. Die Quote verrät die Qualität, indem sie nichts anderes zeigt als Quantität. Wer die Sache selbst gegen das Urteil der Menge verteidigt, unterschlägt, dass die Wirkung zu ihr substantiell gehört. Da mögen die Gründe fürs Fernbleiben im einzelnen noch so unabhängig sein von der Güte des Angebots.

Wir dürfen hier nicht rein

Aus die Maus: Und die Katzen kommen natürlich nicht in den Kochtopf.

Vor der Restaurantküche

Vor der Restaurantküche

Die neue Coolness

Beobachtet beim Torjubel im Fußball: Freude ist etwas für Schwächlinge.

Souveränität

Die Fähigkeit zur Selbstdistanz gehört so fest zum Repertoire seiner Persönlichkeit, dass er darin ganz bei sich ist.