Ich mache nur meinen Job

Der schlechte Leumund, der den Sekundärtugenden seit Jahr und Tag anhaftet, rührt aus der Erfahrung, dass einer fleißig sein kann oder ehrlich, pünktlich und höflich, ohne im mindesten eine Persönlichkeit zu haben, die mit Fug zuverlässig genannt zu werden verdiente. So einer macht halt seinen Job, auch im Moralischen. Allerdings hat die Diskreditierung dieser Anstandsformen die Verlegenheit hervorgebracht, nun unterhalb der sittsamen Oberfläche herausfinden zu wollen, wie einer sich wirklich versteht, ob ihm Vertrauenswürdigkeit attestiert werden kann oder Verlogenheit nachgesagt werden muss. Seit die bürgerlichen Werte unter Generalverdacht stehen, richtet sich die Suche daher auf so unspezifische Eigenschaften wie Authentizität, Betroffenheit oder typische Charaktermerkmale eines Menschen. Mit welchem Erfolg? Dass sie da nichts Gewisses findet. Wer gleich ins Tiefe will, versinkt allzu häufig in Untiefen. Haltungen zeigen sich nicht als Haltung, sondern stets in Gesten. Die freilich können missdeutet und missbraucht werden. Wahrscheinlich gibt es richtiges Leben kaum anders als im falschen.