Kein Blatt vor dem Mund

Ein Abend im Kreis von Zeitungsleuten. Das frühere, leicht dünkelhafte Selbstvertrauen scheint verschwunden zu sein, weggeblasen vom digitalen Sturm durch den Blätterwald. Da ist keiner, der die Nase nach vielerprobter journalistischer Art in den Wind hält, um zu spüren, was demnächst an der Zeit sein wird. Zwar wird nicht gejammert, aber man macht sich ernsthaft Sorgen um das eigene Produkt. Kann Print überleben? Lässt sich online Geld verdienen? Was ist zu tun, um die Qualität der Arbeit wenigstens halten zu können? Wer schreibt so schlecht, dass es der Abonnent nicht mehr verzeiht und kündigt? Plötzlich erhebt einer die Stimme: Er wisse schon, wie die Zeitung von morgen auszusehen habe, und beschreibt sie. Aber der Leser sei ein konservativer Zeitgenosse mit einem ausgeprägten Beharrungsvermögen im Gewohnten. Ob er diesen großen Schritt zur Veränderung mitmache? Ein anderer erwidert: Hat uns je der Leser interessiert? Für einen Augenblick ist die Runde entschieden, diese Haltung redaktioneller Arroganz nicht für die Ursache des Problems zu halten, sondern für dessen Lösung.