Zeit zum Lügen

Mit dem Aufkommen der bildgebenden Verfahren lässt sich das Hirn wie eine Landkarte vermessen, auf denen die Orte für Gefühle, das Sprachzentrum oder Felder des logischen Denkens genau verzeichnet sind. Wo aber wohnen die moralischen Urteile, wo ist Wahrheit zu Hause; und teilt sie sich mit der Lüge Tisch und Bett unter einem Dach? Der Neurowissenschaftler könnte die Schlafforschung bemühen, um – wenn schon nicht räumlich exakt, so doch – zeitlich zufriedenstellend Auskunft zu erhalten: Nie ist der Mensch ehrlicher als in den Dämmerphasen seines Bewusstseins, zwischen Wachheit und den tiefen Träumen. Dösend erzählen wir alles, weil wir schon nicht mehr wissen, was wir im einzelnen verraten. Aus der leichten Narkose erwacht, will der frisch Untersuchte dem Arzt erklären, was er als Lektüre für die Wartezeit mit in die Klinik genommen hat. Der allerdings ist längst im Bilde und berichtet von einem interessanten Dialog über das Buch, in dem er gerade erfahren haben will, warum es der Patient nicht versteht.