Monat: Dezember 2021

Krass

Im Sport ist die Selbstbezeichnung einer Mannschaft, „krasser Außenseiter“ zu sein, die verschleierte Kampfansage, dem Gegner das Leben schwer zu machen. Es sind, so die stillschweigende Annahme, nicht die schlechtesten Voraussetzungen zu siegen, wenn man glaubt, nicht mehr viel zu verlieren zu haben. Innerhalb einer Mannschaft kommen die „krassen Außenseiter“ hingegen eher selten vor. Sie werden gemieden, weil man vermutet, sie könnten den Erfolg vereiteln, indem sie das Gefüge in einem Team sprengen. Dabei gilt auch hier, dass sich Stärke auszeichnet in der Fähigkeit, Ungewöhnliches und Befremdliches so aufzunehmen und zu integrieren, dass es nicht als „krass“ wahrgenommen werden muss. „Krasse Außenseiter“ sind keine Garantie auf den Gewinn, aber die lebendige Anschauung, dass es nicht lohnt, Niederlagen zu fürchten.

Der Nahetreter

Da ist einer ernsthaft beleidigt, weil sein Gesprächspartner die Geste des Mitgefühls achtlos beiseite wischt, als sei sie nichts wert. Er ist gekränkt, dabei handelt es sich nur um die angemessene Strafe für den so tolpatschigen wie taktlosen Versuch, in eine verletzte Seele einzudringen, deren fragiler Zustand ihn nichts angeht. Mitleid, als diskrete Tugend, zeigt sich nicht zuletzt auch im eigenen Leid, nicht immer mitteilen zu können, was man für den Getroffenen empfindet.

Nicht für jeden bestimmt

Jede Veröffentlichung macht das Schreiben zwar genauer, aber auch ärmer.

Die Ein-Thema-Welt

Je weniger Gegenstände das Reden bestimmen, desto größer ist das Potential zum Konflikt. In einer Ein-Thema-Welt, die seit zwei Jahren fast nur noch den verzehrenden Kampf gegen die Ansteckungsgefahr kennt, ist die Spaltung der Menschen als erbitterter Streit über die Sache unmittelbar angelegt. Man muss Stellung beziehen; die Ausweichgelegenheiten sind verbaut.

Gesprächsrausch

Das ideale Interview: der eine stellt die Fragen so, dass der andere danach lechzt, wieder und wieder antworten zu dürfen, weil er sich an seinen eigenen Gedanken berauscht, die er nicht hätte, wenn sie ihm nicht im Gespräch entlockt worden wären.

Existentialistisch

In jedem menschlichen Sein bricht das Freisein hervor.
Jedes Haben bedeutet auch Angst haben.
Leben heißt, sich zu übernehmen, indem man Verantwortung übernimmt.

Ich weiß, was ich will

Jedes „Ich will“, das sich entschlossen herausgearbeitet hat aus vielerlei Verlockungen des Wünschens und manchen Bedingungen des Vermögens kennt sein Risiko, ohne das es nicht zu artikulieren ist: zu scheitern am Nicht-Können, am Nicht-Sollen. Der Anspruch ist so stark, weil er um die vielen Hindernisse weiß, die ihn hindern wollen, sich durchzusetzen. Wollen ist Überwinden.