Es ist wahrscheinlich eine der größten Seelenleistungen, es so weit zu bringen, dass die eigenen Haltungen und Handlungen unabhängig sind vom Verhalten, das andere zeigen. Tief im Innern wohnt ein Ausgleichsbedürfnis, das nach dem Prinzip sich richtet: Wie du mir, so ich dir. Davon frei zu sein, nicht nach Rache oder Bestrafung zu sinnen, sobald ungerechtes oder gar gehässiges Tun die Einstellung zu dem beeinflussen wollen, von dem es ausgeht, ist nicht nur ein Akt der Selbstdisziplin. Es geht um mehr: diese Freiheit ergibt sich aus der Einsicht, dass zwar nicht jeder liebenswert sein mag, aber Liebenswürdigkeit nie im letzten zerstören kann. Sie ist so unantastbar, wie es dem zugeschrieben wird, was so sinnreich wie rätselhaft „Würde“ heißt.