Den Stil und Charakter eines Menschen (oder einer Institution) erkennt man am besten an der Art und Weise, wie er (sie) Liebgewonnenes aus dem eigenen Leben verabschiedet. Trennungsszenen verraten bis in die abgründigste Tiefe alles über das Format einer Person (oder Organisation). Warum das so ist? Weil in solchen Momenten sichtbar wird, ob das Nein, das auszusprechen ist, getragen wird von einem letzten Ja.
Monat: April 2025
Heiliges Recht
Schlimmer als jeder Verstoß gegen das Recht ist die Ignoranz gegenüber dem Recht. Wer sich wider das Gesetz stellt, erkennt es an und riskiert, nicht selten mit Bewusstsein, eine harte Strafe. Wem die gesellschaftlichen Regeln indes gleichgültig sind, hat sich selbst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, die ihre legitime Identität erfährt in der Anerkennung allgemeiner Grundsätze. Wirklich Rechtsbrecher ist nicht der, der das Recht bricht, sondern wer mit dem Recht bricht.
… so ich dir
Auch das ist Ausdruck einer großen Sehnsucht nach Liebe: alles zu tun, um wenigstens von vielen gehasst und verachtet zu werden.
Den Zoll in die Schranken weisen
Protektionismus, das ist immer schon jene Abwehr gewesen, die aus Angst vor dem Tod lieber Selbstmord begeht. Sie entspricht nicht nur einer längst überholten Handelspolitik in einer Welt, in der sich Arbeitsplätze dauerhaft nicht schützen lassen, wenn anderswo besser, billiger und breiter produziert wird. Fehlende Konkurrenz von außen wird nur dafür sorgen, dass im Land die Preise steigen werden, das Angebot geringer ausfällt, die Qualität nachlässt. Wer wüsste das nicht besser als das kapitalistische Amerika. Der Protektionismus stammt vor allem aber aus einer philosophischen Logik, die seit dem späten Mittelalter obsolet geworden ist, nach der es darum gegangen war, suum esse conservare, das Eigene vor allem zu bewahren, indem man es nicht riskiert. Da ist die Moderne klarer und ehrlicher, die Identität stets in ihrem Reichtum durch Auseinandersetzung, Widerstreit und Entfremdung vom Gewohnten gesucht hat. Am Ende aber ist Protektionismus das Gefühl des Narzissten, der glaubt, sein Ich werde größer, wenn er versucht, andere klein zu machen.
Lebendiger Widerspruch
Aus einer Abendlektüre
„Ein Mensch, der sich endlos widerspricht, ist unerträglich und faselt. Ihm muß gesagt werden: A ist nicht zugleich Non-A, fürs einfach-richtige Denken gilt dieser Satz vom Widerspruch. Aber ist das Denken nicht mehr so einfach, wird es geordnet fortschreitend, so verändert sich etwas darin, zusammen mit dem Gegenstand, mit dem es fortschreitet. Dann gilt der Satz. des Widerspruchs nur als ebenso aufgehobener: A ist zugleich Non-A.“*
* Ernst Bloch, Tübinger Einleitung in die Philosophie, 260
Was geschieht hier?
Nicht nur das, was in dieser Welt vielerorts gerade geschieht, macht fassungslos. Verblüffender noch ist, was nicht geschieht: Wo ist der Protest gegen den Missbrauch von Macht, wann kommt der Aufstand, wie setzt das Recht sich wieder durch, wer wird zum Anführer der Aufrechten, warum bleibt die Mehrheit eingeschüchtert still? Es fehlt an Fragen und Taten, die den sinnlosen Behauptungen und ruchlosen Entscheidungen entschlossen widersprechen.