Früher

Aus dem noch ungeschriebenen Roman

„Früher, als ich noch älter war, …“, diese logische Unform eines Satzanfangs schoss ihm in den Kopf, als er seine ersten Texte wieder las, die er zur Veröffentlichung freigegeben hatte. Da passte, was sonst kaum Sinn ergibt: dass ein Rückschritt in der Zeit einen Zuwachs an Erwachsensein und Reife bedeutet. „Früher“ gehörte eigentlich zu den verbotenen Wörtern, wie „eigentlich“ auch. Aber der Überraschung über die Frische, Klarheit, ja Abgeklärtheit von Stil und Inhalt längst entrückter Publikationen schien ihm diese Wendung einzig angemessen zu sein. Er führte eine recht passable Liste mit solchen unredlichen Ausdrücken, die er tapfer verabscheute – tapfer, weil er sich so nicht selten gegen den Zeitgeist stellte, den er für sprachschlampig hielt. Da fanden sich amtliche Ungetüme wie „nichtsdestotrotz“ oder „desweiteren“, Anbiederungssuperlative wie die „herzlichsten“ oder „liebsten Grüße“, der Opportunistengruß „gerne“, bei dem schon das angehängte und gern gedehnte -e störte. Ja, er war empfindlich, wenn es ums Reden und Schreiben ging …