Konsequente Kritik

Jede Kritik, die sich ihrer impliziten Konsequenzen nicht bewusst ist, verliert die Legitimation. Das gilt aufs Offensichtlichste im reinen Denken, das durch Missachtung der logischen Folgen sich schnell als falsch entlarvt. Nicht minder aber verliert ein Urteil seinen Ernst unmittelbar, wenn es im Gestus empörter Radikalität vorgetragen zugleich offenbart, dass sein Autor persönliche Veränderungen kaum fürchten muss. Schon die Kapitalismusverachtung der Frankfurter Schule konnte sich des Vorwurfs nicht erwehren, von Leuten vorgetragen worden zu sein, die die Vorzüge bürgerlicher Existenz ausgiebig genossen und sich so das Etikett einhandelten, „Salonkommunisten“ zu sein. Gleiche Muster zeigen sich bei Klimaaktivisten, die mit dem veralteten Diesel zur Protestkundgebung anreisen. Das alles ist inkonsequent. Gleichwohl keine Widerlegung der Kritik. Denn es gibt ein beredtes Zeugnis für das gebotene Niveau gesellschaftlich relevanter Einsprüche: Sie müssen jenseits von Gut und Böse, Wahrhaftigkeit und Verlogenheit, Authentizität und Heuchelei positioniert werden. Es bedarf einer Kritik ohne Moral.