Tag: 8. Mai 2024

Erklär‘ mir nichts

Der Nachsatz: „Daran gibt es nichts zu deuten!“, der suggeriert, es sei das Geschäft der Interpretation nicht der Mühe wert, ist ein Appell, der viel unmenschlicher ist, als er im Gestus der Entlastung erscheint. Er will unter dem Vorwand von Tatsächlichkeit und des Unzweifelhaften die Möglichkeit nehmen, mich auf meine Art zu einer Sache zu stellen. Auch Fakten aber verhindern nicht, dass wir perspektivisch auf sie blicken. Wir erleben täglich, wie sich Politikerklärer und Politikdeuter wechselseitig die Arbeit streitig machen, indem die einen sich bemühen, die Botschaft gar nicht erst fraglich wirken zu lassen, wohingegen die anderen den Mangel an Klarheit zur Grundlage machen für ihr eigenes Werk der Exegese und Erläuterung. Das Maß der Deutung wird indes nicht kleiner, wenn ihr eine genaue Erklärung vorausgeht. Es wird nur schärfer. Zwischen Vieldeutigkeit und Eindeutigkeit ist genügend Platz für sinnvolle Auslegungen.