Leidenschaftslos

„Ich bin da leidenschaftslos.“ So heißt es in der Sprache leitender Angestellter tonlos, wenn Entscheidungen abgesprochen werden, die, derart deutlich will es keiner sagen, einem herzlich gleichgültig sind. Es kommt so selten nicht vor. Da das eigene Urteil ohnehin im diskreten Zwang der Prozesstreue, dem Diktat von Standards und der unfraglichen Ordnung durch Hierarchien oder eingeschliffene Muster aus informellen Vorrechten nie bedeutsam ist, bildet sich ein Gestus heraus, der den Anschein kommunikativer Lebendigkeit aufrechterhält, hinter dem sich aber längst ein blasser Opportunismus bequem eingerichtet hat. Warum sich regen, wenn das Organisationsideal die Freiheit von Reibungsverlusten ist. Es könnte ja Anstoß erregen. Mit der epikureischen Glücksvorstellung der Ataraxie, der unerschütterlichen Seelenruhe hat das nichts zu tun. Die Seele des modernen Managertypus ist nie so unruhig gewesen, dass sie je der Gelassenheit bedurft hätte, und seine Vernunft kaum wild in Anspruch genommen, dass sie in dieser ihre Befreiung ersehnte und erstrebte. Leidenschaftslos zu sein, ist die Haupteigenschaft des Funktionärs und Verwaltungsbeamten, die letzte Vorstufe der Ersetzbarkeit durch kluge Maschinen.