Monat: Februar 2016

Taxi, bitte!

Die heitere Fahrgemeinschaft nahm auf der Rückbank Platz, zwei Frauen, ein Mann in der Mitte. Deutlich hörbar hatten sie schon ein paar Klafter tief ins Glas geschaut. Das Gespräch drehte sich dennoch um die Arbeit. Wenn Molekularbiologen über das Altern reden, ist alles Verfall: die Zellteilung verlangsamt sich, die Hirnleistung schwächt sich ab, die Körperbehaarung wird dünner. „Das ist bei der Jugend anders heute; die Männer lassen sich zwar wieder einen Bart wachsen, dafür sind sie an anderen Stellen schon früh ganz kahl.“ Verstecktes Kichern im Fond des Fahrzeugs. Der Taxifahrer, für einen Berliner ungewöhnlich, hatte den Wagen bisher schweigend in Richtung Hauptbahnhof gesteuert. Plötzlich wendete er sich um: „Ich bin zweiundsechzig und leiste mir gelegentlich auch eine Intimrasur.“ Das Kichern erstarb abrupt. „Äh, wie meinen?“ „Na, ich dachte, Sie haben über den Hosenbart gesprochen. Der ist bei mir weg, so wie bei Ihnen.“ „Woher wollen Sie das wissen, was wir von Ihnen nicht so genau wissen wollten?“ Eine der beiden Frauen empörte sich leicht gekünstelt über das Niveau der Unterhaltung. Da erwiderte der Fahrer elegant: „Gnädige Frau, ich fand Ihr Gespräch eben so interessant, dass ich langsamer gefahren bin. Es tut mir leid, dass es jetzt schon zuende ist. Wir sind angekommen. Aber darf ich mir die Freude machen, Ihnen die Fahrt nicht in Rechnung zu stellen. Uns Berliner Taxifahrern wird ja immer nachgesagt, dass wir unablässig auf den Fahrgast einredeten. Das stimmt auch. Aber manchmal braucht man neue Geschichten, und Sie haben mir heute eine geschenkt. Ich hoffe, dass Sie Ihren Zug pünktlich erreichen.“

Heftzweck

Schon immer wurde in der Geschichte der Ehrungen das Verdienst eines Menschen auch geschickt genutzt, damit ihm der Verdienst verweigert werden kann. Nicht wenige Dekorationen sind gebunden an den künftigen Verzicht auf ein geldwertes Honorar für die honorierte Aufgabe. Man könnte mit dem Leitwort des englischen Hosenbandordens sagen: Honni soit qui mal y pense – ein Schurke, wer Schlechtes dabei denkt. Denn bei der Ehrung geht es natürlich um die vertrackte Frage, wie man eine informelle Leistung, die weit über das Geforderte hinausgeht, formal würdigt. Das ist der wahre Zweck des angehefteten Metalls.

Tag- und Nachtfalter

Aus dem noch ungeschriebenen Roman:

„Na, immer noch Schmetterlinge im Bauch?“ fragte er zur Begrüßung und packte ihn herzhaft an den Schultern. Es war beim letzten Treffen erst, da der Freund ihm strahlend gestanden hatte, wie glücklich er sei. Endlich, hatte er bekräftigend hinzugefügt, endlich die Richtige. Nun aber zog er bedächtig an seiner fast aufgerauchten Cohiba Club, bevor er antwortete: „Wie man’s nimmt. Schmetterlinge schon. Aber es fühlt sich gerade an, als stecke ein Butterfly Messer in meiner Seele. Von heute auf morgen hieß es statt ,Ich liebe dich‘ plötzlich: Es. Ist. Vorbei. Auch drei Wörter. Sie reichen allerdings, um ein Leben so um die eigene Achse zu drehen, dass einem schwindelig wird und man den Halt verliert. Die Falter sind gewiss das falsche Bild für ernste Gefühle. Zu flatterhaft, verstehst du?“

Menschenverstand

Nichts korrumpiert die Vernunft so sehr wie der gesunde Menschenverstand, wenn er sich als parteipolitisches Leitmotiv vorstellt. Er unterläuft jenes Prüfverfahren, das als Urteilskraft ihm die populistischen Flausen austreibt, auf dass er das Gemeinwohl im Sinn behält und nicht bloß über beifallheischende Gemeinheiten sinniert.

Verstehste?

Die größte Gefährdung hoher Intelligenz: das Gefühl, nicht verstanden zu werden. Es prägt den Charakter der meisten Gespräche, die diese Menschen führen, als ein Reden ohne Unterlass – weil sie meinen, die eigene Sache wieder und wieder erklären zu müssen – und als ein Hören mit Ungeduld – weil sie denken, die Sache der anderen immer schon begriffen zu haben.