Welcher Valentin?

In schönster Unbestimmtheit, die der Spekulation genau so viel Raum lässt, dass sie nicht ins Ungewisse überschießt, vereinen sich gleich drei Legenden, die unterschiedlichen Personen zugeordnet sind, zum Heiligen Valentin, dem Patron der Liebenden: ein Bischof aus dem umbrischen Terni, später in Rom gestorben, aus dem dritten Jahrhundert; möglicherweise dieselbe Figur, nun aber als Bischof von Rom vorgestellt; und aus dem fünften Jahrhundert ein Valentin von Rätien, der in einem Dorf bei Meran seine Ruhestätte gefunden hat. Der eine soll gerufen worden sein, wenn es darum ging, Wahnsinnige zu heilen. Epileptiker, so wird berichtet, habe er von ihrem Leiden befreien können. Der andere soll Ehepaaren mit Rat, wohl auch Tat, zur Seite gestanden haben, ja Legionäre verheiratet haben, denen diese Art der Bindung verboten war. Auch dem dritten Geistlichen, der in Südtirol und am Genfer See gewirkt hat, werden Heilkräfte wider die Fallsucht zugeschrieben, die im Volksmund zur Namensverspottung geführt hat: Valentin – Fall net hin. Welcher der drei nun angerufen wird in der Fürbitte derer, die nicht nur Blumen und Herzen verschenken am 14. Februar? Vielleicht gibt die Antwort der Psychoanalytiker Dr. Krokowski, den Thomas Mann im „Zauberberg“ nach dem Vorbild von Georg Groddeck gebildet hat, der als Vater der Psychosomatik gilt. Dort referiert also der Arzt vor den Insassen des Sanatoriums in Davos: „Das Krankheitssymptom sei verkappte Liebesbetätigung und alle Krankheit verwandelte Liebe.“* Was also wünschen am Tag geteilter Zuneigung? Dass man sein Herz auf der Zunge tragen möge und es sich keinen Umweg suchen muss über Fehlformen: Wahre Ausdrucksstärke denen, die etwas zu fühlen und zu sagen haben!

* Thomas Mann, Der Zauberberg, 181