Tag: 14. Juli 2019

Mach dich nicht gemein

Es gehört zur Überrumpelungstaktik in Machtspielen, den plötzlichen Wechsel von einer unterschätzten Gruppe hin zum überschätzten Flügel einer Partei zu vollziehen. In beiden Fällen bleibt die reale Größe unsichtbar, die Bedeutung einer politischen Bewegung wird, je nach Bedarf, verniedlicht (wenn der Verfassungsschutz sie beobachtet) oder aufgeblasen (wenn die eigenen Anhänger mobilisiert werden sollen). Hier fallen scheinbar harmlose Sätze nach dem altbewährten Muster, man werde das ja noch sagen dürfen. Dort greifen Fackellicht und Marschmusik kalkuliert zur beladenen und belasteten Symbolik einer zerstörerischen Ideologie, um die Tragweite des gesellschaftlichen Umbruchs zu demonstrieren, der angeblich anstehe. Zu wenig oder zu viel, das im Wechselspiel vorgetragen, ist Teil der Tarnung von Größenwahn und Großmachtphantasien. Es werden Mitläufer gesucht, deren Hemmungen beschwichtigt und deren Sehnsüchte beschworen werden. Ohne die lässt sich jener gefährliche Umschlagpunkt nicht erreichen, an dem die Massen überlaufen, weil sie fürchten, sonst abgehängt zu werden. Mit dieser Angst wird von Anfang an gespielt. Es sind stets niedere Motive, die selbst Einsichten korrumpieren, von denen die ungetrübte Vernunft mit gutem Willen behaupten könnte, sie seien richtig. Bei allen Debatten um die Auseinandersetzung mit solchen Gruppen, ist der Hinweis eines entspannten parlamentarischen Umgangs mit ihnen der falsche. Eher wäre zu erinnern an das, was Souveränität heißt: sich nicht gemein zu machen mit denen, die Gemeinheit im Sinn haben und von Gemeinsinn und Gemeinwohl mit gespaltener Zunge reden. Und alles daran zu setzen, dass die Tarnung auffliegt, damit jener verheimlichte Hang zum Ressentiment, zum Hass, zum Kleinlichen, zur destruktiven Enge, zur Verachtung von allem anderen und allem Fremden, zur Brutalität und Rücksichtslosigkeit, zur Dumpfheit und Grobheit offenbar wird. Man kann nicht mit Gedanken spielen, wenn der Ernst eine klare Haltung fordert. „Wehret den Anfängen!“ – das zu rufen, ist zu spät. Aber schenken wir dieser Bewegung die Aufmerksamkeit, die sie verdient, eine kritische, selbstbewusste, orientierte, aufgeklärte und aufklärende, mutige Öffentlichkeit, in deren Helle das Düstere finster erscheint und die Verhältnisse maßstabsgetreu zurechtgerückt sind.