Tag: 19. Juni 2022

Lesefrei

Tage, ohne einen Satz gelesen zu haben, lassen die Welt dumpfer und eintöniger erscheinen. Es fehlt der zweite Blick, jene fremde Perspektive, die die Sicht auf die Dinge zur Präzision zwingt. Lesen bedeutet nicht, dass ein anderer für uns denkt, wie es Schopenhauer leicht herablassend notiert.* Es ist auch nicht bloß Anregung für den eigenen mentalen Prozess. Vielmehr zwingt es in ein Gespräch, lenkt ab vom Subjektiven, öffnet ins Unbekannte, lehrt Neugier, sprengt Grenzen. Alles in allem: Lesen schenkt uns Welt.

* Parerga und Paralipomena II, § 291