Tag: 6. April 2023

Es wäre besser, wenn …

Man kann nur verraten, wozu man eine gewisse Nähe hat. Denn diese Form der Verschworenheit, mindestens aber eine lose Beziehung zwischen zweien ist, was im Bruch plötzlich nicht mehr gelten soll. Dann ist kaum entscheidend, was verraten wurde, sondern nur noch, wer. In dem Augenblick, da „ein Judasgedanke aus [der] Seele“* tritt, steht das Verhältnis auf dem Spiel. Die zwei Arten des Verrats, die in der Passionsgeschichte eine prominente Rolle innehaben, der Kuss des Judas und das Leugnen des Petrus vor der Magd, unterscheiden sich an diesem Punkt. Der, über den das Tragödienurteil verhängt wird, es wäre besser, er wäre nie geboren worden (Matth. 26,24), bringt sich um; der andere, der zum Gemeinde- und Kirchengründer auserkoren wurde, weint bitterlich (Luk. 22,62) und bereut. Judas hat mit der Nähe zum Weltenerlöser auch sich verraten, Petrus hingegen über dem Verrat seine Nähe überhaupt erst schmerzhaft verspürt. Nicht dass die Treue aufgekündigt wurde, macht die Geschichte zur Katastrophe. Sondern dass mit diesem Verrat auch das Verhältnis zerstört war.

* Conrad Ferdinand Meyer, Jürg Jenatsch, 170