Monat: Mai 2023

Veränderung erklären

Allzu oft wird das Reden über Veränderung nicht genutzt, um sie vorzubereiten oder zu erklären. Sondern um sich durch das Wortemachen davon zu entlasten, dass der Wandel nicht gelingt, so nötig er ist. In der Kommunikation packt man an, was faktisch liegen bleibt.

Lesen wie ein Kind

Ein einfaches Kriterium unterscheidet die Fähigkeit zu erzählen von misslungenen Formen prosaischer Schriftstellerei. Wann immer einer Geschichte gelingt, dass ihr Adressat außer Acht lässt, was sich jenseits von ihr ereignet (in der wirklichen Welt), verdient sie den Ehrentitel „Literatur“. Unter dieser ragen Texte heraus, die den Lesern die schönsten Kindheitserfahrungen bescheren, das unmittelbare Erlebensspektrum vom Staunen bis zur Selbstvergessenheit.

Das Leben im Spiegel

Zwischen dem, was die Psychologie „Spiegelung“* nennt, und dem, was in einem Gespräch im Fundamentalsinn eine „Erwiderung“ heißen kann, besteht ein Unterschied im Ganzen. Wo die Erwiderung nach der Entsprechungstiefe zwischen Menschen sucht und Gemeinsamkeit stiftet, wirft die Spieglung den Klienten auf sich zurück und lässt ihn in seiner Einsamkeit.

* Das therapeutische Konzept der Spiegelung kennt viele Facetten, die von der Wiederholung oder Übertragung in der Psychoanalyse bis zur klientenzentrierten Form der Verhaltens- und Musterentdeckung reicht und dort vor allem ein hohes Maß an Empathie erfordert. Nicht selten aber wird es selber zur gestanzten und abgegriffenen Masche, die sich um eine Billigvariante des Leitsatzes gruppiert: Ich verstehe dich.

Menschenkenner

Jemanden gut kennen bedeutet nicht, ihn genau beschreiben zu können. Sondern ihn jenseits der Beschreibbarkeit zu verstehen.

Ins Risiko gehen

Mit dem Mut hat die Liebe gemeinsam, dass sie das Risiko des Schmerzes auf sich nimmt.

Fragen, die antworten

Man kann Menschen unterscheiden in jene, deren Fragen so bestimmt sind wie Antworten, und die anderen, die ihre Antworten hinter Fragen verstecken.

Arbeitsethos

Wann immer seit den frühen Tagen des Klassenkampfs sich die Arbeit mit den Interessen derer verbunden hat, die sie vollbringen, ging es darum, weniger zu tun zu haben und mehr zu erhalten. Nur dass es schon länger keine Arbeiterklasse gibt, die Gerechtigkeitsfragen sich erstreiten müsste. Die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich wird nicht allzu lang auf sich warten lassen. Viel wichtiger ist doch, warum Arbeiten als lästig angesehen ist und keiner Überlegung wert zu sein scheint über das, was man nicht nur mit ihr zu leisten vermag, sondern was sie selber leistet. Jeder, der sie unfreiwillig losgeworden ist, kennt die sinnstiftende Kraft von Arbeit, gegen die anzukämpfen auch bedeutet, wider sich selbst vorzugehen. Leben und Arbeiten widersprechen einander schon deswegen nicht, weil eine lebendige Arbeit vergessen lässt, dass das Leben zuweilen Arbeit ist.