Tag: 10. April 2021

Nummer eins

Der Kandidat, so die Wortbedeutung, zeichnete sich als Amtsanwärter aus, indem er sich nicht auszeichnete: Nach altem römischen Brauch trugen die Bewerber um eine Machtposition eine toga candida, dasselbe weiße Gewand, das die freien Bürger der Stadt kleidete. Der Verzicht auf den Purpurstreifen, der die adlige Herkunft markierte, sollte im Wahlkampf die Gleichheit aller als Volk symbolisieren. Keine Insignien, kein Amtsbonus, nichts hob den Kandidaten heraus, er war reduziert auf seine Wortmächtigkeit, die Überzeugungskraft, die anschauliche Fähigkeit zu führen, sein strategisches Geschick. Bei der Auswahl der  Kanzlerkandidatenkandidaten in der Gegenwart, die sich in den Parteien noch bedeckt halten mit Ansprüchen, könnte die Erinnerung an die Freiheit von Würde- und Herrschaftszeichen jenes einzig belastbare Entscheidungskriterium in der Kür schärfen, nämlich den zu bestimmen, dem es gerade als primus inter pares nur so viel um sich und die Macht zu tun ist, als Selbstbewusstsein und Amt wesentlich sind, die Frage sinnvoll zu klären, was einer Gesellschaft not- und guttut.