Monat: Juni 2022

Über den Tellerrand

Dumm verdient genannt zu werden, wer die Grenzen seiner eigenen Welt nicht kennt, weil er nie über sie hinausgeschritten ist.

Nichts ist fremd

Heiliger Geist: die Verwandlung alles Fremden in ein beglücktes Staunen über Andersheit und Vielfalt.

Worauf hoffen wir?

Hoffnung ist jene Geisteshaltung, die darauf setzt, dass es eine Befreiung auch von jenen Problemen gibt, die wir selber nicht lösen können. Sie ist im tiefsten immer die Erwartung einer Erlösung.

Verlegenheitsfrage

Alle Kunst und deren Institutionen, Theater und Konzerthaus, Geisteswissenschaften (wenn sie denn sich selbst als „Kunst“ der Nachdenklichkeit verstehen) oder der Genusstempel, Sport wie Spiel, sie alle fliehen vor der einen Frage, die sie in Verlegenheit bringt: Wozu das ganze? Kunst ist dadurch definiert, dass sie sich nicht über den Zweck rechtfertigen lässt. Vielmehr gibt es sie „einfach so“, was angesichts der Zeit und des Gelds, das sie verschlingt, so einfach nicht ist.

Das Ende des Kapitalismus

Das Ende des Kapitalismus, wie wir ihn kennen, wird nicht politisch beschlossen, sondern bestimmt über die unausgesetzte Erschöpfung von Mensch und Natur, die einer Steigerungslogik unterworfen sind, welche sich nicht einmal mit der Steigerung zufriedengibt. Wachstum, auch wenn es das Wort anklingen lässt, wird gerade nicht verstanden als organisches. Wo die Steigerung der Steigerung, die exponentielle Entwicklung zum Gesetz des Erfolgs erhoben ist („das ist ja nur ein Prozent mehr als im letzten Quartal“), bleiben die ausgelaugt zurück, die anständig, gutwillig, für den Augenblick einsichtig gewesen sind, die fast alles gegeben, manchmal sogar sich aufgegeben haben. Das System hat zwar genug Geld, aber das ist nichts wert (auch eine Inflation), weil es nicht kompensieren kann, dass einer nicht mehr kann. Nicht ökonomische Dialektik, aber die Missachtung einfacher Lebensregeln besiegelt das Schicksal einer Maximierungsmaxime, die das Überflüssige missachtet. Der Finanzmarkt hat dafür eine unfreiwillig ehrliche Metapher des Fluiden gefunden: Ausschüttung.

Was für eine Überraschung

Der Unterschied zwischen einem Optimisten und einem Schwarzmaler lässt sich am klarsten erkennen an der Art, wie sie mit Überraschungen umgehen: hier die schönste Vorfreude, dort die böse Vorahnung. Der eine staunt über die plötzliche Erregung, ja giert nach gleich sensationeller Verbesserung, den anderen befremden Verblüffung und Wirbel. Das Ideal des Pessimisten ist eine Welt, die über sich resigniert ist und schon deswegen keine Änderungen anstrebt, weil sie dem eigenen Wandel nicht mehr glaubt. Pessimismus ist der Tod als Lebensform.