Tag: 21. September 2022

Sprache und Gewalt

Wie gewaltig Worte wirken, lässt sich bemessen an der Differenz zwischen Sagen und Tun, die auch eine zeitliche ist, und groß sein kann, wenn etwa auf Sätze lange Schlaufen der Nachdenklichkeit folgen, die in entschiedene Zustimmung münden. Diesen Unterschied, der die Qualität einer Handlung bestimmt, vom überlegten und überlegenen Widerspruch bis zum prompten Gehorsam, versucht, anders als die Gewalt der Sprache, die Sprache der Gewalt zu eliminieren. Ihr Ideal ist die unmittelbare Reaktion, der erkennbar die Gelegenheit zum Zweifel geraubt ist, Fragen wie die nach dem Sinn des Ganzen. Sie zielt auf die Mobilisierung der Masse, die sich als total erlebt und deren Erhaltung zum Selbstzweck geadelt wird. „Daß Kriege so lange dauern können, daß sie noch weitergeführt werden, wenn sie längst verloren sind, hängt mit dem tiefsten Triebe der Masse zusammen, sich in ihrem akuten Zustand zu erhalten, nicht zu zerfallen, Masse zu bleiben. Dieses Gefühl ist manchmal so stark, daß man es vorzieht, sehenden Auges zusammen zugrunde zu gehen, statt die Niederlage anzuerkennen und damit den Zerfall der eigenen Masse zu erleben.“*

* Elias Canetti, Masse und Macht, 77